Die Zwerge
nicht, und ob sie ein Zwerg überstünde, das würden die kommenden Umläufe zeigen.
Im Gang stieß er auf Tungdil, der sich anschickte, den Verwundeten zu besuchen. »Wie geht es ihm?«, wollte er beunruhigt wissen.
»Er schläft. Die Verbände sind durchgeblutet, und er benötigt dringend neue«, sagte der Krieger fahrig. Das irre Funkeln in seinen Augen war unendlich großer Sorge gewichen.
»Ich dachte, Andôkai wolle nach ihm sehen? Hat ihre Magie nichts erreicht?«, wunderte er sich.
»Wir wollen nicht, dass sie uns hilft«, antwortete Ingrimmsch. »Magie ist nichts, taugt nichts. Mit Samusin wollen wir schon mal gar nichts zu tun haben.« Er ging an ihm vorbei und rief nach den Pflegern, die daraufhin angelaufen kamen und frische Verbände brachten.
Tungdil wusste, dass er sich einen Streit über Magie mit den Zwillingen sparen konnte. Überzeugung und Starrsinn lagen allzu dicht beieinander. Eher würde Boëndal sterben, als sich von der Maga heilen zu lassen.
Leise betrat er die Kammer und betrachtete den Zwerg, der wie tot in den Kissen lag, das Gesicht bleich, die Brust hob und senkte sich kaum. Die Pfleger wuschen das verkrustete Blut sorgsam ab und nähten die klaffenden Wunden wieder zusammen. Anschließend deckten sie eingeweichte Moose darüber, deren Saft die Qualen linderte.
»Wir werden ohne ihn Weiterreisen müssen«, meinte Tungdil halblaut zu Ingrimmsch. »In seiner Verfassung macht er keine hundert Schritt, ohne dass er uns stirbt.«
»Nein … Ich schaffe es, Gelehrter«, kam es leise, aber bestimmt aus Boëndals Mund. Er richtete seine Augen flehend auf ihn, fasste seine Hand. »Nach zwei Umläufen geht es wieder. Es ist nur ein Kratzer!«
Tungdil blickte fragend zu einem der Pfleger, der den Kopf schüttelte. »Nein, das wird nicht gehen. Die äußeren Wunden sind nicht die Schwierigkeit, sondern die inneren Verletzungen. Jede Bewegung sorgt für eine Verschlimmerung. Er würde qualvoll zu Grunde gehen. Er kann nicht reisen.«
»Bleib hier und genese, Boëndal. Wir treffen uns rechtzeitig zur großen Schlacht gegen Nôd’onn«, entschied Tungdil schweren Herzens. »Du hast deinen Anteil geleistet.«
»Ich gehe mit! Wo einer von uns beiden ist, da ist auch der andere. Es ist die größte Tat, die jemals von unserem Volk …«
Er wollte sich aufrichten, aber sobald er seinen Oberkörper ein wenig rührte, stöhnte er laut auf, und ein dunkelroter Fleck entstand auf den frisch angelegten Verbänden. »Es scheint, als ob du Recht hättest, Gelehrter«, knurrte er durch die zusammengebissenen Zähne hindurch und schaute zu seinem Bruder. »Du wirst ihn und die anderen allein beschützen müssen.«
Boїndil stand stocksteif neben dem Bett, er wusste nicht, was er sagen sollte. »Zum ersten Mal in unseren Leben werden wir getrennt sein«, sprach er mit belegter Stimme und fasste die Hand Boëndals. »Ich werde dich bei den Kämpfen vermissen. Die ersten einhundert Schweineschnauzen sind für dich.«
»Du hast Großes vor«, lächelte er schwach. »Aber übernimm dich nicht. Ich kann dir nicht den Rücken frei halten.« Sie umarmten sich, Tränen rannen über ihre bärtigen Wangen. Einen solchen Abschied hatten sie noch niemals begangen.
»Und zügle deine Tobsucht, Bruder. Du wirst deine Wut besser kontrollieren müssen als sonst, versprich es mir!«
»Ich verspreche es«, schwor Ingrimmsch feierlich. »Doch nun ruh dich aus.« Zusammen mit Tungdil verließ er die Kammer. »Wann brechen wir auf?«
»So früh wie möglich«, antwortete Tungdil. »Andôkai hat Djer_n auf magische Weise zusammengeflickt. Ihm geht es so weit gut, dass er reisen kann, auch wenn ich noch nicht genau weiß, wie wir ihn in eine Lore bekommen.«
»Wir brauchen sowieso mehrere«, schätzte Boїndil. »Hammerfaust, Schimmerbart, die drei Schauspieler, unsere Metalle, die Maga und ihr Schoßkrieger, das passt niemals in einen Karren.«
»Und Balyndis«, fügte Tungdil hinzu.
»Wer?«
»Die Schmiedin.«
»Ein Weib also.«
»Du klingst ebenso begeistert wie Bavragor«, merkte er spitz an.
»Oh, ich bin der Letzte, der Frauen geringschätzt. Ich mag gut gebaute Zwerginnen, an denen man sich festhalten und wärmen kann, mit ordentlichen Brüsten und runden Gesichtern, aber …«
»Bei den Clans der Zweiten gibt es auch etliche Schmiedinnen. Und Smeralda konnte angeblich kämpfen wie …« Verflucht!
Boїndil versteinerte, als er den Namen seiner toten Liebe hörte. »Sie soll mitkommen. Ich bin müde.«
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