Die Zwerge
nach Porista holen und sie in das Ritual einbinden, könnte es uns gelingen, die Kraft zurückzuschlagen.« Er schaute abwartend in die Runde. Schon seit einiger Zeit hatte er über dieser Frage gebrütet. Jeder von ihnen hatte mindestens dreißig junge Famuli und Famulae, die sich zumindest in der Lage befanden, Magie zu nutzen. »Wenn wir die Gewalt von mehr als einhundertachtzig Magiekundigen gegen das Tote Land bündeln, werden wir einen Erfolg erzielen.«
»Oder der Versuch misslingt, und wir gelangen zu der schrecklichen Erkenntnis, dass weder Weltliches noch Geistiges einen ebenbürtigen Gegner darstellen«, meinte Nudin trocken.
Lot-Ionan wagte an diese schlimmste aller Möglichkeiten nicht zu denken. Das Geborgene Land fiele der finsteren Macht damit früher oder später in die Hände. Die Menschen, die Tiere, die Natur wären von diesem Augenblick an dazu verdammt, bis in alle Ewigkeiten ihr Dasein als Untote zu fristen und dem Willen der schrecklichen Kraft aus dem Norden zu gehorchen. Ein Schauder der Furcht rann durch seinen Körper. »Nein, das darf nicht geschehen.«
Andôkai fand als Erste ihre Sprache wieder. Sie wirkte besorgt, als sie sich an die fünf wandte. »Ich weiß, dass einigen mein Glaube an Samusin Schwierigkeiten bereitet. Doch es ist, wie es ist. Wir müssen etwas unternehmen.«
»Du überraschst mich«, gestand Lot-Ionan. »Ich hätte dir zugetraut, dich gegen die Vertreibung auszusprechen.«
»Samusin ist der Gott des Ausgleichs. Wo nur Dunkel ist, existiert nicht einmal mehr der Schatten. Wir können nicht zulassen, dass der Albtraum eines unterjochten Landes Wirklichkeit wird. Ich stimme deinem Vorschlag zu«, bekräftigte sie. »Wenn das Tote Land geht, wird das Gleichgewicht von selbst wieder hergestellt.«
Sie stimmten ab; alle waren dafür, den Vorschlag Lot-Ionans in die Tat umzusetzen.
»Dennoch sollten wir zuerst die bestehenden Barrieren erneuern. Es nützt nichts, wenn unsere Famuli noch auf dem Weg sind und das Tote Land in der Zwischenzeit die Sperren durchbricht«, warnte Nudin heiser. »Ich schlage vor, wir ruhen uns eine Stunde aus und nehmen ein leichtes Mahl zu uns, ehe wir gemeinsam zur Tat schreiten.«
Der Rat war damit einverstanden und löste sich auf. Nudin bat Lot-Ionan, noch ein wenig zu warten, und führte ihn etwas abseits zum Nordfenster des Palastraumes.
Jetzt, wo sie dicht voreinander standen, bemerkte der Zauberer, wie massig und aufgeschwemmt Nudin war. In seinem Augenweiß entdeckte er Dutzende von geplatzten Äderchen, die Pupillen glitzerten fiebrig. Er ist todkrank!
Nudin musste husten und hielt sich rasch ein Taschentuch vor den Mund; mit der anderen Hand klammerte er sich an seinen Ahornstab und suchte Halt. Hastig steckte er das Tuch wieder ein.
Lot-Ionan meinte, Blut darin gesehen zu haben. »Du solltest dir von Sabora die Hand auflegen lassen«, sagte er besorgt. »Du siehst … mehr als krank aus.«
Nudin aber winkte ab und bemühte sich, ein unverbindliches Lächeln auf sein schwammiges Gesicht zu zwingen. »Nur eine ordentliche Erkältung, nichts weiter«, schwächte er ab. »Es schadet dem Körper nicht, wenn er einmal gefordert wird.« Er nickte seinem Gegenüber anerkennend zu. »Dein Vorschlag war sehr gut. Da du sogar Andôkai überzeugt hast, werden die anderen dir folgen.« Mühsam unterdrückte er einen neuerlichen Hustenanfall; sein Kopf wurde rot. »Wir Magi haben uns viel zu lange nur um uns selbst gekümmert. Sabora lasse ich dabei einmal außen vor«, sagte er gepresst. »Es ist gut zu sehen, dass es noch andere Dinge gibt, für die wir geschlossen eintreten. Schade, dass es dazu solch beängstigender Umstände bedurfte.«
»Nanu?«, meinte Lot-Ionan verdutzt. »Führst du einen neuen Beinamen und heißt nun ›der Selbstkritische‹« Heute fand er den Zauberer ganz annehmbar, weil er weniger herablassend auftrat als sonst. Falls es an der Erkrankung lag, so wünschte er Turgur und Andôkai dieselbe.
Nudin lachte; der Heiterkeitsausbruch ging in starkes Husten über. Dieses Mal sah Lot-Ionan das Blut, das zwischen den Lippen hervortrat, ehe der Magus es abwischte. »Du wirst zu Sabora gehen«, wiederholte er seine Worte und wählte den Befehlston absichtlich. »Für das Ritual brauchst du Kraft, und die scheinst du dringend zu benötigen.«
Nudin hob abwehrend die Hand. »Du hast gewonnen. Ich besuche sie«, krächzte er. »Eines noch: Wo sind meine Artefakte, alter Freund?«
Um diese Angelegenheit hätte
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