Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
Vom Netzwerk:
Nach links, nach rechts und wieder nach links zuckte das Gesicht der Bestie, und die Kiefer schnappten nach ihrer nach hinten gebogenen Kehle. Eine übermächtige Kraft im Kampf mit jemandem, der sich nicht rühren konnte: Wie lange konnte das gehen? Die Kinder in ihren Betten, dachte Alicia– das war dieser hier. Er war die Frau, die durch die Tür zu ihren schlafenden Kindern hineinschaute. Denk an die Kinder, dachte Alicia, und dann sagte sie es:
    » Denk an die Kinder.«
    Der Viral erstarrte. Ein wehmütiger Ausdruck trat in sein Gesicht. Für einen winzigen Augenblick– nicht mehr als eine halbe Sekunde lang– trafen sich ihre Blicke in der Dunkelheit. Mary, dachte Alicia. Dein Name war Mary. Ihre Hand tastete nach dem Messer. Ich schicke dich heim, meine Schwester, Mary, dachte Alicia. Ich befreie dich aus dem Gefängnis deines Daseins. Und mit einer Aufwärtsbewegung stieß sie die Klinge von der Spitze bis zum Heft in den Sweetspot.
    Alicia rollte die Leiche zur Seite. Die andern lagen da, wo sie hingefallen waren. Sie zog Messer und Bolzen aus den Kadavern und wischte sie ab, und dann kniete sie neben dem Dritten nieder. Wenn es vorbei war, empfand Alicia meist nichts außer einer unbestimmten Leere, und überrascht sah sie jetzt, dass ihre Hände zitterten. Woher hatte sie das gewusst? Denn das hatte sie, mit absoluter Klarheit, sie hatte gewusst, dass die Frau Mary geheißen hatte.
    Sie zog das Messer heraus und berührte damit Kopf und Herz. Danke, Mary, dass du mich nicht getötet hast, bevor meine Arbeit getan ist. Ich hoffe, du bist jetzt bei deinen Kleinen.
    Marys Augen standen offen und starrten ins Leere. Alicia schloss sie mit den Fingerspitzen. Es kam nicht in Frage, sie zu lassen, wo sie war. Alicia nahm den Leichnam auf den Arm und trug ihn nach draußen. Eine Mondsichel war aufgegangen und übergoss die Landschaft mit ihrem Glanz. Aber Mondlicht war nicht das, was Mary brauchte. Hundert Jahre Nachthimmel waren genug, dachte Alicia und legte die Frau auf ein Stück offenes Land, wo die Sonne sie am Morgen finden und ihre Asche in den Wind verstreuen würde.
    Der Weg führte jetzt bergauf.
    Ein Tag und eine Nacht waren vergangen. Alicia war in den Bergen und folgte einem trockenen, schmalen Bachbett, höher und höher hinauf. Sie spürte die Virals jetzt stärker; sie ging auf etwas zu. Mary, dachte sie, was versuchst du mir zu sagen?
    Der Morgen dämmerte schon, als sie auf dem Höhenkamm ankam und der Horizont zurückwich. Unter ihr in der windzerfurchten Dunkelheit entfaltete sich das Tal, und nur die Sterne leisteten ihm Gesellschaft. Alicia wusste, dass man ihre scheinbar beliebigen Konstellationen in einzelne Figuren zergliedern konnte, in die Umrisse von Menschen und Tieren, aber das hatte sie nie gelernt. In ihren Augen erschienen die Sterne planlos verstreut, als würden sie jede Nacht von Neuem über den Himmel gesät.
    Dann sah sie es: einen klaffenden, schwarzen Schlund in einer schüsselförmigen Senke. Die Öffnung war dreißig Meter hoch, vielleicht auch höher. Vor dem Eingang der Höhle waren geschwungene Bänke wie in einem Amphitheater aus der Felsflanke des Bergs gehauen. Fledermäuse schwirrten über den Himmel.
    Es war ein Tor zur Hölle.
    Du bist da unten, nicht wahr?, dachte Alicia lächelnd. Du Scheißkerl, ich hab dich gefunden.

II
    Der Vertraute
    Frühjahr
    Im Jahr Null
    Nun ist die wahre Spukezeit der Nacht, Wo Grüfte gähnen und die Hölle selbst Pest haucht in diese Welt.
    Shakespeare, Hamlet

3
    Denver Police Dept.
    Fallakte 193874
    Distrikt 6
    Transkript der Befragung von Lila Beatrice Kyle
    durch Detective Rita Chernow
    3. Mai, 4.17Uhr
    RC :Ich gebe zu Protokoll, dass die zu Befragende umfassend über ihre Rechte aufgeklärt wurde und bei dieser Befragung auf die Anwesenheit eines Anwalts verzichtet hat. Befragung durchgeführt durch Detective Rita Chernow, Denver PD , Distrikt 6. Die Zeit is t 4 .17Uhr. Dr. Kyle, würden Sie bitte Ihren vollen Namen angeben?
    LK :Lila Beatrice Kyle.
    RC :Und Sie sind Unfallchirurgin im Denver General Hospital, ist das richtig?
    LK :Ja.
    RC :Und Sie wissen, warum Sie hier sind?
    LK :Weil im Krankenhaus etwas passiert ist. Sie wollten mir ein paar Fragen stellen. Wo sind wir hier?
    RC :Wir sind auf dem Polizeirevier, Dr. Kyle.
    LK :Bin ich in Schwierigkeiten?
    RC :Wir haben darüber gesprochen, erinnern Sie sich? Wir versuchen herauszufinden, was heute Nacht in der Notaufnahme passiert is t. Ic h weiß, Sie sind aufgeregt. Ich

Weitere Kostenlose Bücher