Die zwoelf Gebote
wieder entsetzt. „Was ist passiert?"
„Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit dem Vater dieses Jungen", sagte Robert.
„Na, hoffentlich hast du ihn nicht zu sehr verletzt."
„Nein", beruhigte Robert sie, „habe ich nicht."
Doch als Jenny dann erfuhr, was wirklich vorgefallen war, war sie erst recht außer sich.
„Willst du sagen, du bist einfach dagestanden und hast dich schlagen lassen?"
„Ja", sagte Robert, „ich hatte nichts gegen ihn."
„Du hattest nichts gegen ihn? Was bist du eigentlich für ein Mann? Erst läßt du zu, daß der Sohn von diesem Menschen unseren Louis verprügelt, und dann läßt du dich auch noch selbst verhauen!"
Robert versuchte zu erklären: „Das Zwölfte Gebot -"
„Dein blödes zwölftes Gebot ist mir völlig schnurz!" sagte
seine Frau.
Und sie stürmte aus dem Zimmer.
In der Schule verspotteten alle Kinder Louis, weil sein Vater so ein Feigling war.
Der Junge, der ihn vermöbelt hatte, sagte: „Mein Vater hat deinen Vater verdroschen, und der hat sich nicht einmal gewehrt."
„Mein Vater ist ein tapferer Mann", sagte Louis.
Als Robert an diesem Abend heimkam, sagte Louis zu ihm: „Dad, du hast doch keine Angst zu kämpfen, oder?" „Natürlich nicht", sagte Robert. „Ich halte es nur für falsch." Louis besah sich die beiden blauen Augen und die blutige Nase
seines Vaters.
Und er dachte: Mein Vater ist tatsächlich ein Feigling.
Robert war sehr verunsichert. Er dachte: Mache ich etwas falsch? In meinem Leben bin ich immer nur in Schwierigkeiten gekommen, weil ich Gottes Gebote einhalte. Am nächsten Sonntag ging er zur Beichte. „Pater, ich habe gesündigt."
Der Priester sagte: „Was für eine Sünde hast du begangen, mein Sohn?"
„Ich habe das Zwölfte Gebot gehalten." Ein langes Schweigen folgte.
Dann sagte der Priester: „Ich verstehe nicht. Du hast gesündigt, weil du das Zwölfte Gebot gehalten hast?"
„Ja, das glaube ich", sagte Robert. „Ich bin ziemlich verwirrt. Die Bibel sagt, ich soll keine Gewalt anwenden, und doch hassen mich alle, weil ich mich daran halte. Irgend etwas muß falsch daran sein. Schon in der Schule mochten mich alle nicht. Dann habe ich meine Freundin deshalb verloren. Und mein Vater warf mich aus dem Haus. Jetzt halten meine Frau und mein Sohn mich für einen Feigling. Ich weiß nicht mehr, wie ich mich verhalten soll."
„Gottes Gebote einzuhalten kann niemals falsch sein", sagte der Priester. „Wenn du deshalb das Zwölfte Gebot brichst, werden schlimme Dinge geschehen."
Jenny war derart aufgebracht über die Feigheit ihres Mannes, daß sie sich entschloß, sich scheiden zu lassen. Ich liebe ihn zwar, dachte sie, aber ich darf nicht mit einem Mann leben, der nicht einmal für seinen Sohn eintreten kann. Ich muß ihm sagen, daß ich mich scheiden lassen will.
Weil Louis zu Hause war und sie vor ihm nichts davon erwähnen wollte, sagte sie zu Robert: „Gehen wir zum Essen aus heute abend. Ich muß mit dir reden."
„Na gut."
Robert ließ sich in einem sehr hübschen Restaurant einen Tisch reservieren und führte seine Frau dorthin aus.
Jenny war nervös und unruhig. Es war ihr klar, daß sie Robert sehr verletzen würde, aber daß sie auch keine andere Wahl hatte.
„Robert", sagte sie, „ich muß dir etwas sagen."
Am Nebentisch saßen vier Männer. Sie waren betrunken und laut.
Einer war ein Riesenkerl, noch größer als Robert. Er kam Robert bekannt vor. Er starrte dauernd Jenny an.
„He", rief er herüber, „du bist aber schön, weißt du das?" Jenny versuchte, ihn zu ignorieren.
„Robert", begann sie noch einmal, „ich weiß, das ist jetzt schwierig, aber -"
„Was willst du mit dem Kerl da?" rief der Betrunkene vom Nebentisch Jenny zu. „Einer wie ich würde viel besser zu dir passen."
Robert wurde allmählich ärgerlich. Er schaute zu dem KrakeeIer hinüber und sagte: „Hören Sie, wir möchten hier friedlich speisen, ja? Warum lassen Sie uns nicht einfach in Ruhe?"
Der Mann stand auf. „Nun hört euch den an. Will der mir Vorschritten machen. Du halbe Portion, du. Paß auf, daß ich dich nicht auseinandernehme!"
„Bitte", sagte Robert, „machen Sie hier keine Szene. Setzen Sie sich wieder hin und -"
„Wer bist denn du, daß du mir anschaffen willst, was ich zu tun habe, hä?" stänkerte der andere weiter.
Er kam herüber, stellte sich vor ihnen auf und legte Jenny die Hände auf die Schultern. „Du bist wirklich schön, Baby", sagte er.
Robert sagte ganz ruhig: „Würden
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