Diebe
sie nach mir suchen kommen.«
»Erst mal müssten sie dich fangen«, sagte Baz. »Ich würde sagen, wir machen Folgendes.«
Sie stehen jetzt alle um das Motorrad herum, und Baz skizziert kurz, was sie sich vorstellt: das Motorrad verkaufen und dann auf schnellstem Weg zum Bahnhof Norte, um mit dem Zug in eine der Städte im Norden zu fahren – neu anfangen, noch mal ganz von vorn. Selbst wenn sie wollten, sagt sie, gäbe es keinen Weg mehr zurück. Das Barrio wird dem Erdboden gleichgemacht, Fay hat sie vergessen, und jetzt, wo der Teufelsjunge drauf und dran ist, die Stadt zu übernehmen, bleibt ihnen eh keine andere Möglichkeit, als zu fliehen.
Lucien nickt. »Hast recht, Baz. Du und Demi, ihr solltet besser verschwinden. Ich bring euch hin, kann euch sogar mit dem Motorrad hinfahrn und es irgendwo da in der Nähe verkaufen. Vielleicht komm ich später nach.«
»Nichts da, du kommst mit!«
»Nach mir sucht keiner«, sagt er, den Blick nur auf Baz gerichtet. »Ich muss rausfinden, was genau mit Mama Bali ist. Falls sie tot ist, will ich sehn, dass sie anständig begraben wird.«
Demi blickt von einem zum anderen. »Was ist passiert?«
»Sie ham ihr die Küche abgefackelt«, sagt Baz. »Jemand hat rausgefunden, dass sie mir geholfen hat.«
»War dieser Jemand vielleicht Fay?«, fragt Demi.
»Vielleicht.«
»Tja.« Er hakt beide Daumen in seine Hosentaschen. »Ich geh auch zurück, Baz. Du kannst machen, was du willst, aber ich hol mir was von dem, was Fay mir schuldet für all die Male, wo ich ihr gute Sachen gebracht hab.«
»Ich hab den Ring schon genommen.«
»Und hast ihn weggegeben! Das Verrückteste, was du je getan hast.« Er hebt die Hand, um ihr das Wort abzuschneiden. »Ja, ich weiß, warum. Ist ja okay, aber ich sag dir, es wird jetzt alles anders. Kann schon sein, dass hier kein Platz mehr für uns ist, aber ich geh hier nicht mit leeren Händen weg. Fahr du los, wenn du willst, aber ich, ich mach mich auf zur Bude und nehm mir, was mir gehört. Lucien, nimmste mich mit?«
Baz mustert die beiden: störrisch wie die Esel. Sie redet auf Demi ein, zeigt ihm das Geld, das Señora Dolucca ihr gegeben hat, doch er will nicht hören. Und sie begreift, dass der Fall bei ihm nicht so viel anders liegt als bei Lucien. Ganz gleich, was er sagt, es ist im Grunde nicht das Geld, das ihn zurückzieht. Wahrscheinlich ist es ihm selbst gar nicht bewusst, aber Baz weiß Bescheid: Was Demi in Wirklichkeit will, ist, Fay noch ein letztes Mal zu sehen, so wie Lucien unbedingt Abschied nehmen muss von Mama Bali.
Das Problem ist nur, dass das Barrio genau der Ort ist, wo Eduardo nach ihnen suchen wird. Und doch, was bleibt ihr anderes übrig? Soll sie allein nach Norden fahren? Natürlich nicht. Sie ist genauso wenig frei in ihrer Entscheidung wie die anderen beiden, sie muss mit ihnen gehen. Wenigstens kann sie auf Demi aufpassen, vielleicht verhindern, dass er dem bösen Wolf blind ins offene Maul rennt. Das Barrio wird ihnen kaum etwas anderes zeigen als scharfe Zähne.
Seufzend erklärt sie sich einverstanden, besteht aber darauf, dass sie das Motorrad abstoßen. Demi mault zwar, muss ihr aber recht geben: Sie alle drei auf diesem Motorrad – da kämen sie nicht einmal um den Agua-Platz herum, ohne dass jemand sie oder die Maschine erkennen würde. Sie schieben das Motorrad ums Haus und bieten es dem Werkstattbetreiber zum Kauf an. Der wirft ihnen nur einen kurzen Blick zu und kramt dann einen Fünfzigdollarschein aus der Tasche. »Nehmt’s oder lasst’s bleiben«, sagt er, »aber ich schätze, dieses Motorrad ist heißer als die schärfste Braut.«
Sie nehmen das Geld und machen sich dann mit der Straßenbahn auf den Weg zurück in die Stadt. Dabei lassen sie sich Zeit, denn sie wollen nicht ins Barrio kommen, bevor es dunkel wird.
Der Agua-Platz ist von Polizeikräften besetzt: Uniformierte vor Señor Moros Bar, echte Schlägertypen, mit Kampfanzügen, Helmen und Automatikgewehren. Beim Brunnen, wo vier riesige Planierraupen aufgereiht sind, stehen auch welche. Dennoch sind Leute unterwegs, sie meiden zwar Moros Etablissement, betreten aber die anderen Bars, als wäre nichts gewesen. Einige Gruppen haben sich am Hauptzugang zum Barrio gebildet. Es sieht so aus, als sei ein Gebäude an der Ecke vollständig niedergerissen worden. »Siehst du das?« Baz packt Demi am Arm. »Siehst du, was sie da machen? Als würden sie’s Stück für Stück auffressen wolln.«
Sie schlagen einen Bogen um die Menge,
Weitere Kostenlose Bücher