Diebe
unterwegs, nicht interessiert an drei winzigen Gestalten ganz da unten. Vielleicht sind sie unsichtbar.
Gewohnheitsmäßig kontrolliert sie die nicht einsehbare Seite des Gebäudes: immer wissen, was um die Ecke ist, immer eine Hintertür zur Verfügung haben. Ein alter Mann, der in einer behelfsmäßigen Werkstatt zugange ist, ganz wie sie dachte. Sie winkt den Jungs zu, um anzuzeigen, dass sie sicher sind, und geht zurück. Neben Lucien bleibt sie stehen, berührt seinen Arm und blickt ihm so eindringlich ins Gesicht, dass er den Kopf zu ihr dreht. »Lucien«, sagt sie, »du warst unsere ganz große Rettung. Danke, Lucien. Demi und ich, wir sind dir echt was schuldig.«
»Du hast mir den Schlüssel gegeben, Baz, hast mir Geld für Benzin gegeben. Ist klar, dass ich dann komm.« Er zuckt mit den Schultern und dreht sich, immer noch auf dem Motorrad sitzend, zu Demi um. »He, Demi – siehst ja nicht besonders gut aus.«
Demi hat mit etwas Mühe sein verknackstes Bein angezogen und beugt sich vornüber, um seine Hose hochzuschieben und es ein bisschen zu massieren. »Ich?«, sagt er. »Demi sieht immer gut aus – was erzählst du, Lucien?« Er strafft sich und etwas von der vorübergehend verlorenen Großspurigkeit kehrt in seine Stimme zurück. »Aber wenn du diese Maschine wie ’ne alte Oma steuerst, dann macht einen das natürlich mehr fertig, als wenn man ’n Tritt von ’nem Maultier abkriegt.«
»Da kann einem echt der Kopf abfalln, wenn dieser Typ mit seinem üblen Gelaber loslegt«, sagt Baz, aufgebracht und glücklich zugleich. »Du bedankst dich bei Lucien, Demi, oder ich bring dich wieder in den Bau, ich schleif dich eigenhändig ins Schloss.«
»Hey! Wer is’n dieses Lumpenmädel, das glaubt, es kann mir hier Vorschriften machen? Hast wohl vergessen, dass ich es bin, der die flinken Finger hat, und der ...«
»Demi! Du bist der, der geschnappt worden ist. Lucien und ich ham dich wieder rausgehaun. Hör auf, dummes Zeug zu erzähln.« Sie beäugt ihn kritisch. »Meinste, dass es geht mit deinen Verletzungen?«
Demi grinst. »Du bist echt schnell gewachsen, Baz. Führst dich jetzt schon auf wie Mama Bali ...«
Lucien wechselt einen Blick mit Baz, dann wischt er sich mit seinem Hemdzipfel das Gesicht ab. »Was jetzt, Baz? Würde sagen, wir sollten weiter. Die Uniformierten suchen bestimmt nach dieser Maschine.«
Demis Grinsen schwindet. »Die suchen nach mehr als’m alten Motorrad. Die ham den Wachmann umgebracht, und dieser Goldjunge, die Fay-Ratte, will mir das anhängen.« Er erzählt, wie Eduardo ins Krankenzimmer gestürmt ist, wie er seine Adoptivmutter am Arm mitgeschleift und sie so gestoßen hat, dass sie auf das Fußende von Demis Bett gefallen ist, und die ganze Zeit hat er rumgeschrien. »Hab gedacht, er ist voll ausgeflippt. Irgend ’ne Droge oder was. Hat die Pistole fallen lassen, wisst ihr, direkt neben mir.« Er sieht sie beide an und zuckt mit den Schultern. »Hab sie aufgehoben. Dachte, ich könnte da rausspaziern wie der Held im Kino, aber als ich die Pistole auf ihn gerichtet hab, da ist dieser Eduardo mit’m Mal zu ’ner andern Person geworden, ’n üblerer Schattenmann, als ihr euch vorstellen könnt, ey. Hat nur gelacht, meinte zu mir, ich soll abdrücken. ›Mach schon‹, hat er gesagt. ›Tu den Finger auf den Abzug, Junge. Erschieß den Sohn des Captain, sei der Held des Barrio.‹ Die Frau heult die ganze Zeit und er spottet rum ... Hab dann abgedrückt, wollte ihn ins Bein schießen – Rache dafür, dass er uns reingelegt hat und ich von den Uniformen geschnappt worden bin.«
»Und? Wie geht’s weiter?«, sagt Lucien.
Aber Baz weiß es schon, kann es sich denken. Darum also hat Eduardo die kleine Pistole so sorgsam behandelt, darum hat er sie ins Taschentuch eingewickelt.
»Die Pistole hat nur Klick gemacht. Nix passiert. Er ist gekommen und hat sie mir aus der Hand genommen. ›Danke‹, hat er gesagt, ›du hast mir grad dein Leben überschrieben.‹«
»Er hat deine Fingerabdrücke auf der Pistole«, sagt Baz.
»Hat meine Fingerabdrücke und meint, er hat auch meine Seele. ›Sicher‹«, äfft er Eduardo nach. »Er ist da genauso wie Fay. Hast ihn ja gehört vorhin, Baz, redet die ganze Zeit wie Fay: jedes zweite Wort ist ›sicher‹. Und das heißt, du brauchst nur einmal aus der Reihe zu tanzen, dann kommt gleich der böse Onkel, bringt dich auf’n Berg. Er kann diese Pistole jederzeit der Polizei geben und lacht sich dann ins Fäustchen, wenn
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