Diener der Finsternis
Club?«
»Nein, nein. Simon wohnt nicht mehr in seinem Club. Er hat sich am Ende einer dieser ruhigen Sackgassen in St. John’s Wood ein altes, verbautes Haus gekauft – angeblich, weil er einen Garten haben wollte.«
»Simon! Einen Garten!« Rex lachte vor sich hin. »Das ist gut. Sein botanisches Interesse erstreckte sich bisher nur auf die Blumensträuße, die er den Damen seiner Bekanntschaft schickt. Was tut übrigens Simon als Junggeselle mit einem großen Haus?«
»Vielleicht könnte Mr. Mocata dir das sagen«, murmelte de Richleau, »oder der seltsame Diener, den er importiert hat.«
»Hast du Mocata je zu Gesicht bekommen?«
»Ja, vor sechs Wochen habe ich einmal in dem Haus vorgesprochen. Simon war nicht da, und so empfing mich Mocata.«
»Was hältst du von ihm?«
»Er mißfiel mir außerordentlich. Er ist ein dickbäuchiger, kahlköpfiger Sechziger mit vorstehenden Fischaugen und einem abstoßenden Lispeln.«
»Und der Diener, den du erwähntest?«
»Ich sah ihn nur für einen Augenblick, als er durch die Halle ging, und er erinnerte mich höchst unangenehm an den schwarzen Mann, mit dem man mich als Kind erschreckt hat.«
»Ist es ein Schwarzer?«
»Eigentlich nicht. Er hat dunkle Hautfarbe und erinnert an einen Malagassen.«
Rex runzelte die Stirn. »Was ist denn das?«
»Malagassen nennt man die von Negern und Polynesiern abstammenden Bewohner Madagaskars. Sie sind ein eigenartiges Volk. Bei dem einen Blick, den mir dieser riesengroße Kerl zuwarf, hatte ich den lebhaften Wunsch, ihm nicht noch einmal zu begegnen.«
»Was du mir erzählst, ist genug, daß ich mir um Simon Sorge mache«, erklärte Rex.
Der Herzog legte die lange graublaue Asche seiner Zigarre ab. »Man kann kaum noch daran zweifeln, daß Simon in eine höchst seltsame Angelegenheit verwickelt worden ist. Ich wollte nur, ehe ich mich unberufen einmische, deine Ansicht hören. Also, die Frage ist: Was tun wir jetzt?«
»Handeln!« Rex stieß seinen Stuhl zurück und richtete sich zu seiner ganzen beträchtlichen Länge auf. »Wir fahren zu diesem Haus und sprechen mit Simon ein offenes Wort, und zwar sofort!«
»Ich habe erwartet, daß du diesen Vorschlag machst«, antwortete de Richleau lächelnd, »deshalb habe ich bereits für halb elf den Wagen bestellt. Sollen wir gehen?«
II
»Was für eine scheußliche Gegend! Wir könnten ebensogut auf einem Friedhof sein«, bemerkte Rex, als der Hispano des Herzogs in einer dunklen Sackgasse zum Halten kam. Die beiden Freunde stiegen aus und schauderten in dem kalten Aprilregen. »Sieh mal! Simon hat oben auf seinem Haus ein Observatorium.«
»Tatsächlich. Das habe ich bei meinem letzten Besuch gar nicht gesehen.« Der Herzog drückte den Klingelknopf.
Ein schweigender Diener öffnete und ließ sie in die Eingangshalle treten, wo an der abgelegten Garderobe zu erkennen war, daß Simon Gäste hatte.
»Vielleicht hat Mr. Aron eine Besprechung und möchte nicht gestört werden«, sagte Rex. Der Diener antwortete nicht.
»Der Bursche ist bestimmt taubstumm«, flüsterte der Herzog.
Durch eine lange, schmale Halle kamen sie in einen großen Salon, der im Louis-XVI.-Stil eingerichtet war. Rex hielt den Atem an, aber nicht wegen der luxuriösen Einrichtung. Er faßte de Richleaus Arm. »Mein Gott, sie ist hier!« Seine Augen hingen an einem hochgewachsenen, anmutigen Mädchen, das gerade mit Simon sprach.
Dreimal in den letzten achtzehn Monaten hatte er durch Zufall dieses Gesicht gesehen, dessen unergründliche Augen unter schweren Lidern voller Geheimnisse schienen und der Schönheit des Mädchens eine seltsame Alterslosigkeit gaben, so daß sie trotz ihrer offensichtlichen Jugend alt war, so alt wie – ja, so alt wie die Sünde, dachte Rex bei sich. Ein Gesicht, das man nicht mehr vergaß.
Zum ersten Mal hatte er sie in einem Restaurant in Budapest gesehen und Monate später während eines Verkehrsstaus in New York, als ihr Wagen dicht neben seinem gestanden hatte. Dann begegnete sie ihm seltsamerweise zehn Meilen außerhalb von Buenos Aires, wo sie mit drei Männern einen Weg entlangritt. Welche angenehme Überraschung war es, daß er sie hier und jetzt wieder traf – und welch ein unwahrscheinlicher Zufall. Rex lächelte bei dem Gedanken, daß Simon nicht umhin kommen würde, ihn ihr vorzustellen.
De Richleaus Augen ruhten auf Simon. Dieser drehte sich plötzlich zu ihnen um und geriet in äußerste Verlegenheit. In seinen dunklen Augen schien sogar so
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