Dienstanweisungen für einen Unterteufel
zu fesseln. Lehre ihn, dies das „wirkliche“ Leben zu nennen, unterdrücke in ihm jede Regung, darüber nachzudenken, was er eigentlich unter „wirklich“ versteht.
Denke stets daran, er ist nicht wie Du reiner Geist. Da Du selber nie Mensch gewesen bist (oh, dieser abscheuliche Vorteil des Feindes!), kannst Du auch nie völlig ermessen, wie unheimlich diese Kreaturen dem Zwang des Gewöhnten versklavt sind. Ich hatte einmal einen Patienten, einen waschechten Gottesleugner, der einen guten Teil seiner Zeit im Britischen Museum hinter den Büchern zubrachte. Eines Tages, als er wieder in seine Lektüre vertieft war, sah ich plötzlich, wie seine Gedanken sich in eine verhängnisvolle Richtung zu bewegen anfingen. Natürlich war der Feind sofort zur Stelle. Ehe ich wußte, wir mir geschah, sah ich schon das Werk meiner zwanzigjährigen Mühe und Arbeit wanken. Hätte ich den Kopf verloren und versucht, die Situation durch allerlei Vernunftargumente zu retten, so wäre ich erledigt gewesen.
Aber so dumm war ich nicht. Ich klammerte mich sofort an die Stelle meines Mannes, die ich in meiner Gewalt wußte. Ich brachte ihn auf den Gedanken, daß es eigentlich Zeit wäre, an das Essen zu denken. Wahrscheinlich gab der Feind ihm daraufhin ein, was jetzt in ihm vorgehe, sei wichtiger als das Essen. (Du weißt ja, unsereiner kann nie völlig belauschen, was Er ihnen sagt.) Zumindest schien es mir, es müsse so etwas gewesen sein, denn als ich ihm sagte: „Ganz gewiß! Viel zu wichtig, um es noch am Ende eines Vormittages in Angriff zu nehmen“, da hellte sich das Gesicht des Patienten sichtlich auf, und bis ich beigefügt hatte, „es wäre viel besser, nach dem Mittagessen mit erfrischtem Geist auf die Sache zurückzukommen“, war er schon halbwegs bei der Tür. Hatte ich ihn erst einmal auf der Straße, so war die Schlacht gewonnen. Ich zeigte ihm einen Zeitungsjungen, der das Mittagsblatt ausrief und den eben vorüberfahrenden Autobus Nr. 73. Ehe er noch den letzten Tritt der Treppe erreicht hatte, hatte ich ihm die feste Überzeugung eingeprägt, daß, was für wunderliche Gedanken auch immer durch eines Menschen Hirn gehen mögen, wenn er so weltabgeschieden bei seinen Büchern sitze, schon eine gesunde Dosis „wirklichen Lebens“ genüge (worunter er den Omnibus und den Zeitungsjungen verstand), um ihn von der Abwegigkeit „solcher Ideen“ zu überzeugen. Er war sich bewußt, der drohenden Gefahr nur mit knapper Not entronnen zu sein. Und in späteren Jahren sprach er mit Vorliebe von dem „undefinierbaren Gefühl für Wirklichkeit, das unser letzter Schutz ist vor der Abwegigkeit bloßer Logik“. Wir haben ihn nun glücklich im Hause Unseres-Vaters-in-der-Tiefe.
Ahnst Du nun, worauf es ankommt? Dank den Vorgängen, die wir vor Jahrhunderten in den Menschen in Gang setzten, finden sie es fast unmöglich, an das Ungewohnte zu glauben, solange das Alltägliche vor ihren Augen liegt. Überzeuge ihn immer von neuem von der „Alltäglichkeit“ der Dinge. Vor allem hüte Dich davor, mit der Wissenschaft (ich meine die wirkliche Wissenschaft) gegen das Christentum zu kämpfen. Sie würde ihn bestimmt anspornen, über Wirklichkeiten nachzudenken, die er weder mit seinen Händen anzufassen noch mit seinen Augen zu sehen vermag. Es sind in dieser Hinsicht gerade unter den modernen Physikern gar schmerzliche Fälle vorgekommen. Wenn er schon in den Wissenschaften herumstümpern muß, dann führe ihn auf das Gebiet der Wirtschaftskunde und der Soziologie. Unter keinen Umständen aber lasse ihn von jenem unschätzbaren „wirklichen Leben“ abweichen. Das allerbeste ist natürlich, wenn Du ihn überhaupt vom Lesen wissenschaftlicher Werke abhältst. Gib ihm vielmehr die großartige, allgemeine Auffassung, er wisse alles, und alles, was er im zufälligen Gespräch oder durch gelegentliches Lesen aufgeschnappt habe, sei das „Ergebnis der neuesten Forschung“. Denke daran: Du bist dazu da, Deinen Patienten zum Narren zu halten. Wenn man aber einige von euch jungen Unholden reden hört, so könnte man meinen, es sei unsere Sache, die Menschen zu lehren!
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
II
Mein lieber Wormwood,
Ich habe mit größtem Mißvergnügen davon Kenntnis genommen, daß Dein Patient Christ geworden ist. Bilde Dir ja nicht ein, Du werdest der üblichen Strafe entrinnen, ja ich hoffe, daß Du Dir das in Deinen besseren Momenten nicht einmal wünschst. Inzwischen müssen wir den Tatsachen die beste
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