Dienstanweisungen für einen Unterteufel
bringen, etwas völlig Spontanes, Innerliches, Form- und Regelloses anzustreben. Für einen Anfänger bedeutet das in Wirklichkeit, daß er sich bemüht, in seinem Innern eine verschwommene andachtsvolle Stimmung hervorzubringen, die mit wirklicher Sammlung von Wille und Geist nichts mehr zu tun hat. Einer ihrer Dichter, Coleridge, sagte, er „bete nicht mit bewegten Lippen und gebeugten Knien“, sondern er „versetze sich in einen Zustand vollkommener Liebe“ und überlasse sich dem Gefühl der „Anbetung“. Das ist gerade, was wir brauchen. Da diese Gebetshaltung, oberflächlich gesehen, Ähnlichkeit hat mit dem stillen Gebet jener, die im Dienste des Feindes schon weit vorangeschritten sind, so können auf diese Weise gescheite und träge Patienten für längere Zeit genarrt werden. Wenigstens können sie davon überzeugt werden, daß die körperliche Haltung für ihr Beten gleichgültig sei, denn sie vergessen stets, was Dir jedoch nie entgehen darf, daß sie Tiere sind und daß alles, was ihr Körper tut, auch ihre Seele beeinflußt. Es ist spaßhaft, daß die Sterblichen sich immer vorstellen, wir flößten ihrem Geist gewisse Dinge ein; dabei beruhen unsere besten Erfolge darauf, daß wir ihnen gewisse Dinge fernhalten.
Sollte nun dieser Weg fehlschlagen, dann mußt Du Dich auf eine feinere Art verlegen, seine guten Vorsätze auf ein falsches Geleise zu schieben. Wo immer ihre Aufmerksamkeit dem Feinde selbst gilt, da sind wir besiegt. Es gibt aber Wege genug, sie davon abzuhalten. Der einfachste Weg ist der, ihr Augenmerk von Ihm weg auf ihr eigenes Ich zu richten. Halte sie dazu an, nur auf ihren Seelenzustand zu achten und in sich durch eigene Anstrengung gewisse G e fühle zu erregen. Wenn sie vorhaben, Ihn um Nächstenliebe zu bitten, dann lasse sie statt dessen versuchen, nachsichtige Gefühle gegen sich selbst zu schaffen, ohne zu merken, was sie eigentlich tun. Wenn sie vorhaben, um Mut zu bitten, so lasse sie in Wirklichkeit versuchen, sich mutig zu fühlen. Wenn sie sagen, sie bitten um Vergebung, dann lasse sie sich anstrengen, das Gefühl der Vergebung zu erlangen. Lehre sie den Wert jedes Gebetes nach der Befriedigung einschätzen, die das von ihnen erregte Gefühl ihnen bringt. Nie aber lasse sie entdecken, wie sehr diese Art von Erfolg oder Mißerfolg davon abhängt, ob sie sich in jenem Augenblick körperlich wohl oder krank, frisch oder müde fühlen.
Natürlich wird auch der Feind inzwischen nicht müßig bleiben. Wo immer ein Mensch betet, besteht Gefahr, daß Er selbst unverzüglich eingreift. Mit zynischer Gleichgültigkeit gegenüber der Würde Seiner und unserer Stellung als reiner Geister überschüttet er diese menschlichen Tiere, wenn sie nur auf den Knien liegen, mit Selbsterkenntnis in ganz schamloser Weise. Aber selbst wenn Er Deinen ersten Angriff der Irreführung vereitelt, so stehen uns noch feinere Kampfmittel zur Verfügung.
Die Menschen können nicht von der direkten Wahrnehmung Seiner Wirklichkeit ausgehen, die wir unglücklicherweise nicht vermeiden können. Sie haben nie jene grauenerregende Klarheit, jenen stechenden und brennenden Glanz kennengelernt, die unserm Dasein einen Hintergrund ständiger Qual geben. Prüfst du die Seele Deines Patienten, wenn er betet, so findest Du davon nichts. Untersuchst Du den Gegenstand seines Gebetes näher, so wirst Du entdecken, daß es ein Konglomerat ist, das manche völlig lächerliche Bestandteile enthält. Da wirst Du zum Beispiel Bilder des Feindes finden, die jener entehrenden Episode entstammen, die als die „Menschwerdung“ bekannt ist. Daneben findest Du viel verschwommenere, vielleicht geradezu primitive und kindische Vorstellungen, die mit den beiden anderen Personen verbunden sind. Es enthält sogar Objektivationen seiner eigenen Ehrfurcht und der sie begleitenden körperlichen Erregungen, die er dem Gegenstand der Verehrung selbst zuschreibt. Ich weiß von Fällen, wo der Patient das, was er Gott nannte, tatsächlich lokalisierte – oben in der linken Ecke der Schlafzimmerdecke oder auch in seinem eigenen Kopf oder im Kruzifix an der Wand. Was immer aber dieser zusammengewürfelte Gebetsgegenstand sein mag, sei stets darauf bedacht, daß Dein Patient zu ihm betet – zu diesem Ding, das er sich gemacht hat, nie aber zu der Person, die ihn gemacht hat. Du darfst ihn sogar anspornen, viel Gewicht auf die Verbesserung und Ergänzung seines Gebetsgegenstandes zu legen und sich zu bemühen, ihn während seines
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