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Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Dilling
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nicht anders kann, als den Partner mit argwöhnischen Augen zu betrachten statt mit liebenden. Man liegt immer auf der Lauer, muss stets bereit zum Angriff sein. Das ist nicht Ehe, das ist Krieg.
    So drastisch wie in Franzens Sittengemälde war es bei Silke und Tobias Grasser nicht, aber eines hatten sie mit Gary und Caroline gemeinsam: Auch sie führten über Monate eine innere Strichliste gegen den anderen, um stets gewappnet zu sein. Die zwei Kölner – beide 40, seit dreizehn Jahren ein Paar, seit neun Jahren verheiratet – gerieten so in die größte Krise ihrer Beziehung. »Ich bin noch immer fassungslos, wie wir da so tief hineinschlittern konnten«, sagt Silke im März 2012, als ich sie und Tobias in Köln 16 treffe, etwa ein Jahr, nachdem alles begonnen hatte.
    Tobias ist freier Fotograf, zu seinen Auftraggebern gehören renommierte Magazine, Museen und Theater. Silke arbeitet nach einer Festanstellung seit drei Jahren als Sachbuchautorin. Für ihre Freunde sind Tobias und Silke eines dieser intellektuellen Powerpaare, die man bei einer Essenseinladung unbedingt dabeihaben möchte: beide mit einem messerscharfen Verstand gesegnet, mit großer Schlagfertigkeit und einer sportlichen Freude an der Auseinandersetzung. Streit war schon immer einer der Grundtöne im Sound ihrer Liebe. »Und das ist ja auch nichts Schlechtes. Wer nicht streitet und alles unter den Teppich kehrt, hat ein Problem«, davon ist Tobias überzeugt.
    Doch irgendwann, erzählt er, habe sich die Chemie verändert. Was der Grund dafür war, darüber kann man im Nachhinein nur spekulieren. Fest steht: Als Tobias zu Silke nach Köln zog und sie nun beide von zuhause aus arbeiteten, wurde es immer schlimmer.
    Auf ihre Streits folgte nun keine Versöhnung mehr, sondern bestenfalls ein brüchiger Waffenstillstand, meistens einfach ein Abwarten und Lauern bis zur nächsten Explosion. Die entzündete sich an Kleinigkeiten – einer offenen Kühlschranktür oder einem nicht erledigten Einkauf. Man wusste nie, wo die Tretminen vergraben waren. Aber es knallte ständig.
    Der Haushalt war immer Hauptschauplatz ihrer Auseinandersetzungen gewesen. Seit Jahren beklagte Silke, dass Tobias sich zu wenig einbrachte. »Ich habe einen ebenso anstrengenden Beruf wie er, da muss auch die Hausarbeit gleich verteilt sein«, fand sie. Wenn sie manchmal nach Dienstreisen nach Hause kam und die Treppen in den fünften Stock hochging, wünschte sie sich mit jeder Stufe mehr, dass ihr Mann zufällig nicht daheim sei: Bestimmt hat er wieder nicht eingekauft, bestimmt motzt er wieder, bestimmt hat er unglaublich schlechte Laune, dachte sie.
    Es stimmte: Tobias hatte schlechte Laune. Aber das war ja auch kein Wunder. Er hatte gerade wenige Aufträge, und die, die er hatte, nahm er aus Geldgründen an und nicht, weil sie ihn künstlerisch weiterbrachten. Vor eineinhalb Jahren hatte er seine Festanstellung in München aufgegeben und war zu Silke nach Köln gezogen – aus Liebe, wie er sagt. Nach so vielen Jahren Fernbeziehung wollten sie endlich am selben Ort leben: »Ich hatte mir immer vorgenommen, Silke nicht vorzuwerfen, dass ich in ›ihre‹ Stadt gezogen bin, obwohl ich dort weder einen Job noch Freunde hatte. Aber indirekt machte ich sie für meine Unzufriedenheit wohl doch verantwortlich.« Hinzu kam, dass es bei Silke beruflich gerade sehr gut lief: Sie hatte ihre Stelle als Lektorin aufgegeben, um selbst ein Buch zu schreiben, und es wurde ziemlich erfolgreich: Etliche Radiosender interviewten Silke, sie wurde zu Podiumsdiskussionen und Vorträgen im ganzen Land eingeladen.
    Tobias war genervt, wenn seine Frau vor Freunden mit den Themen ihrer Bücher anfing: »Niemand kann deine Geschichten mehr hören«, sagte er vor allen. Silke verletzte das: »Ich dachte: Wenn er sich nicht dafür interessierte, wer dann?« Tobias war vor allem gekränkt, dass seine Arbeit bei ihrem Erfolg so gar keine Rolle mehr spielte.
    Ab und zu traf er sich mit anderen Frauen – zwei von Silkes Bekannten. Rein freundschaftlich, versteht sich, aber Silke war trotzdem eifersüchtig. »Ich verstand ja, dass er eigene Freunde haben wollte in Köln, aber warum mussten es unbedingt meine weiblichen Bekannten sein? Zu denen war er zuckersüß, und ich bekam daheim nur den Stinkstiefel ab.« Sie stritten nun ständig, immer lauter und verletzender. Regelmäßig drohten sie einander damit auszuziehen, sie sagten bei der kleinsten Kritik »Fick dich« zum anderen, einmal nahm Silke einen

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