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Warum bleibt Schicksalhaftigkeit – so diffus dieser Begriff sein mag – für viele das konstituierende Moment der Liebe? Auch dieser Frage möchte ich nachgehen.
Doch egal, ob man einem Algorithmus vertraut oder diesem unberechenbaren Kerlchen Amor: Das Denken über die Liebe hat sich grundsätzlich verändert. »Was kannst du mir bieten?« – Diese Frage steht heute immer im Raum, wenn die Super-Individualisten zwischen dreißig und vierzig nach einem Partner suchen. Von den Haar- bis in die Fußspitzen sind sie davon überzeugt, dass für sie nur das Allerbeste in Frage kommt. Kein Ramsch, kein Restposten. Es gilt, sich nach dem Premiumangebot zu strecken.
Die Shoppinganmutung der Single-Börsen mit ihren Profilfotos und Steckbriefen passt gut zu einer Generation, die extrem versiert darin ist, andere Menschen (küchen-)psychologisch abzuchecken. Man weiß genau, wer zu einem passt, wer die eigenen Anforderungen am besten erfüllt, man hat seine geistige Einkaufsliste immer parat. Die Suche nach der Liebe ist zum Produktvergleich geworden.
Vor allem die Digital Natives, also diejenigen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, gehen kaum noch zu einer Verabredung, ohne vorab eine kleine Online-Recherche durchgeführt zu haben. Auch das: ganz schön rational, im Vorfeld wissen zu wollen, was einen erwartet. Dass der Mensch, der einem bald gegenübersitzen wird, seine Diplomarbeit über »Briefmarkensammeln. Ein Hobby aus verhaltenspsychologischer Sicht« geschrieben hat (Institutshomepage). Noch bei seiner Mutter wohnt (Telefonbuch.de). Oder vor zwei Jahren mindestens zehn Kilo weniger wog (danke, Facebook!). Ist das ein Ausschlusskriterium?
Charakteristisch für das neue Liebesverständnis ist auch, dass sich die heute Dreißig- bis Vierzigjährigen je nach Lebensphase ihre Beziehungsform zurechtbasteln. Wer sagt denn, dass es nur die Aggregatzustände Single und feste Beziehung gibt? »Es ist kompliziert« – die Beziehungsstatus-Angabe bei Facebook, für die sich Tausende junge Deutsche entschieden haben, spiegelt die Uneindeutigkeit einer Generation wider, die sich nicht festlegen will. Um die dreißig herum regiert der unverbindliche Spaß, und lose Beziehungen haben Hochkonjunktur. Solange das eigene Wohl und Vorankommen Vorrang haben, legt man seinen emotionalen Investitionen ein Sparziel auf – nicht, dass eine feste Beziehung einem Opfer abverlangt. Wenn diese Phase für beendet erklärt wird, muss es oft ganz schnell gehen: Das ist dann die Zeit, in der man plötzlich den Handreichungen der Verkupplungsindustrie vertraut.
Millionen von Paaren auf der ganzen Welt sind der Beweis für die Funktionstüchtigkeit der Liebesmaschine »Internet«. Die Partnerbörsen werben mit Hunderten Erfolgsgeschichten, so gut wie jeder hat heute jemanden im Freundes- oder Bekanntenkreis, der seinen Partner im Internet gefunden hat. Und mit jedem neuen Paar, das seinen Freunden von seiner Erfolgsgeschichte erzählt, steigt die Akzeptanz weiter.
So schön die Liebesgeschichten der online zusammengekommenen Paare sind (so schön wie alle Liebesgeschichten!) – manchmal würde ich gern wissen, wie es nach dem Happy End weitergeht. Wenn die Suche per Partnerbörsenfilter nur vermeintlich perfekt passende Paare hervorbringt, muss die so entstandene Beziehung doch unter besonders hohen Erwartungen stehen, schließlich ist die absolute Übereinstimmung mathematisch abgesichert. Gehen solche Paare anders mit Meinungsverschiedenheiten um als Paare, die sich ihrer Verschiedenheit von Anfang an bewusst sind? Wenn es möglich ist, sich jederzeit im Internet nach Alternativen umzusehen, lohnt es sich dann, um eine Beziehung zu kämpfen?
Auch was Beziehungsprobleme angeht, hat sich das Liebesverständnis verändert: Bei den meisten Paaren von heute herrschen selbst im Streit Besonnenheit und Vernunft vor. Wer Teller schmeißt und sich die Augen aus dem Kopf weint, ist ein Fall für RTL 2.
Konflikte muss man durch Zuhören und Reden in den Griff kriegen (Ich-Botschaften!), und wer das nicht schafft, lässt sich von einem Profi helfen. In der Mittelschicht ist die Akzeptanz von Paartherapie in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Bücher von Paartherapeuten wie Arnold Retzer landen in den Bestsellerlisten. Der bekannteste Vertreter der Zunft, Werner Schmidbauer, hat eine Kolumne im ZEIT magazin. Paartherapeuten werden für ihre Liebes- und Lebensklugheit geschätzt, sie sind die Kronzeugen des Zwischenmenschlichen, Hüter
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