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Dieser eine Moment (German Edition)

Dieser eine Moment (German Edition)

Titel: Dieser eine Moment (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Wortberg
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schüttelnd, den Stock in seinem Maul, und sich seine Hand in Lauras Haar wiederfindet und er sich festhalten will an ihr, und sie ihn weiter berührt wie nie jemand zuvor, und den Druck erhöht und das Tempo, immer noch dieses Lächeln in ihrem Gesicht, das er nicht einordnen kann und nicht versteht, wie er überhaupt gar nichts mehr versteht, während er sich zwischen ihren Fingern mehr und mehr spannt, sich ihr entgegendrückt, er kann nicht anders, und der Mann und die Frau und der Hund zu kleinen Punkten zusammenschrumpfen. Hör auf, Laura, mach weiter, bitte, er schämt sich für das, was gleich passieren wird, aber er kann nicht zurück, jetzt nicht mehr – und dann spürt er die Feuchtigkeit in seinen Boxershorts, fühlt, wie ihre Hand sich entspannt und Sekunden später zur Ruhe kommt.
    Sie nimmt sich, was sie will, denkt er, sie fragt nicht nach den Gründen. Sie macht alles richtig und ich alles falsch.
    Sie lächelt ihn weiter an, eigenartig und geheimnisvoll wie zuvor. »Willst du noch immer vor mir flüchten?«
    »Nein.«
    Ihr Kopf schiebt sich zwischen ihn und den Himmel. »Ist doch schon mal ein Anfang«, sagt sie und küsst ihn.

Zweiter Teil
LÜGEN

7
    Gelbbraunes Laub auf feuchten Straßen. Novemberwind, der durch kahle Äste weht. Darüber ein bleierner Herbsthimmel, wie mit Händen zu greifen, so tief.
    Maja redet ohne Pause. Von der bevorstehenden Aufführung, Tschaikowskys Nussknacker, sie wird in der ersten Reihe tanzen. Ein kleines Solo als Schneeflocke. Sie freut sich darauf wie verrückt.
    Jan hat sie vom Ballettunterricht abgeholt. Ihre Haare sind noch immer hochgesteckt, auf ihrem Hinterkopf ein kleiner Dutt, der Flaum in ihrem Nacken schimmert golden.
    Abends wird er sich mit Laura treffen. Sie will ins Kino. Irgendeine Komödie, den Filmtitel hat er vergessen. Er wird sowieso nur neben ihr sitzen und ihre Anwesenheit genießen. Ab und zu wird er zu ihr rüberschauen, ihr von der Leinwand beschienenes Gesicht betrachten, den Glanz in ihren Augen. Er wird ihr Lachen hören, wenn es etwas zu lachen gibt, und sich zum hundertsten Mal die Frage stellen: Warum ich?
    Maja und er, der Wind treibt sie vorwärts, vor ein paar Minuten hat es angefangen zu regnen. Er hat ihre Regenjacke vergessen. Wenn sie sich erkältet, wird er schuld sein. Wenn sie deswegen die Aufführung verpasst, wird sie untröstlich sein.
    Auf seiner Brust und seinen Schultern bilden sich dunkle Flecken, kalt und nass. Sie kommen an einem Café vorbei. Er bleibt stehen.
    »Lust auf einen Kakao?«
    »Au ja«, sagt Maja und klatscht in die Hände.
    Er schaut ihr zu, wie sie mit dem kleinen Löffel die Sahne vom Kakao schöpft. In ihrem Mundwinkel weiße Spuren. Er hat ihr seine Jacke über die Schultern gelegt. Sie verschwindet fast darin. Für sich hat er nichts bestellt.
    Sie sind nicht die Einzigen, die vor dem Regen geflüchtet sind. Beschlagene Scheiben, der Schirmständer neben dem Eingang ist voll. Der Geruch hereingetragener Feuchtigkeit vermischt sich mit dem Duft nach Kaffee und Gebäck. Über dem Plaudern der Gäste liegt Musik. Beliebig, austauschbar.
    »Und?«, fragt er.
    Maja strahlt. »Lecker«, sagt sie und fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Und erzählt von dem tollen Schneeflockenkostüm, das sie bekommen wird, und dass die Ballettschule für die Aufführung eine Schulaula gemietet hat und dass Mama und Papa und Jan sich schickmachen müssen und dass alles auf DVD aufgezeichnet wird und dass man den Film dann kaufen kann, um sich zu Hause alles noch mal in Ruhe anzuschauen. Ihre Stimme überschlägt sich, ihre Worte können dem Tempo ihrer Gedanken kaum folgen, ihr kleines Gesicht unter den hochgesteckten Haaren glüht vor Begeisterung.
    Plötzlich hält sie inne, mitten im Satz, den Löffel voller Sahne vor ihrem halb geöffneten Mund.
    »Was ist denn?«, fragt er.
    Statt ihrer Antwort das Geräusch eines Stockes, der auf den Teppichboden klopft, gegen ein Stuhlbein schlägt, eine Tischkante. Die Ahnung eines fremden Atems in seinem Nacken.
    »Warten Sie, ich helfe Ihnen«, sagt ein Mann.
    Das Rücken eines Stuhles. Dann die Erwiderung einer Frau, leise, aber bestimmt: »Danke, aber das ist nicht nötig.«
    Alles in ihm krampft sich zusammen. Er kennt diese Stimme. Ihre Stimme. Vor drei Monaten hat er sie in einer dunklen Ecke seines Kopfes vergraben. Genau wie das Bild ihrer blonden Haare auf dem Kissen des Krankenhausbettes. Er ist danach nicht noch einmal in die Klinik gefahren und auch nicht

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