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Dieser eine Moment (German Edition)

Dieser eine Moment (German Edition)

Titel: Dieser eine Moment (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Wortberg
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zu dem Baum an der Landstraße. Geblieben ist eine Narbe. Manchmal spürt er sie wie einen Riss, der sich mitten durch seine Brust zieht. Kalte Luft, die um sein Herz streicht, ein leichtes Frösteln.
    Langsam dreht er sich zu ihr um. Er kann nicht anders. Sie sitzt ganz aufrecht, den Kopf zur Seite geneigt. Ihre Augen sind von einer dunklen Sonnenbrille verdeckt, in der sich die Fenster des Cafés spiegeln. Regen, der am Glas entlangläuft. Ihre langen blonden Haare, dunkel von der Nässe. Sie ist noch schöner als in seiner Erinnerung.
    »Was darf ich Ihnen bringen?«, fragt die Serviererin und wischt mit einem feuchten Tuch über den Tisch, der wackelt, weil der Teppichboden unter den Tischbeinen Wellen wirft.
    »Einen Kaffee bitte«, sagt Catrin. Ihre Hände spielen mit der Schlaufe ihres Blindenstocks, an dessen unterem Ende eine kleine Kugel befestigt ist, ihre Verbindung zur Welt.
    »Was ist das für ein komischer Stock?«, fragt Maja.
    »Den brauche ich zum Tasten«, sagt Catrin und wendet ihr den Kopf zu.
    Maja starrt sie an, den Mund noch immer halb geöffnet.
    »Ich bin blind, weißt du«, sagt Catrin.
    »Heißt das, du kannst nichts sehen?«, fragt Maja erschrocken. Die Sahne auf ihrem Löffel droht auf den Tisch zu tropfen, Jan fängt sie mit der Hand auf.
    »Ja«, erwidert Catrin ruhig.
    Jan starrt auf die Sahne in seiner Hand. In seinem Hals dasselbe sandige Gefühl wie damals im Krankenhaus. Als würde sie mit dem Finger auf ihn zeigen wie mit einer Pistole. Ein Schuss ins Herz. Das Café ein Gerichtssaal. Er sitzt auf der Anklagebank. Um ihn herum nur Richter, die ihn feindselig anstarren. Er will sich verteidigen, aber er kann nicht. Das Urteil steht längst fest. Zufall ist nur ein anderes Wort für Unausweichlichkeit.
    »Und wie ist das?«, bohrt Maja nach. In ihrem Gesicht die kindliche Verwunderung über etwas, das sie nicht begreifen kann.
    »Wie wenn es ganz dunkel ist«, sagt Catrin.
    »Die ganze Zeit?«
    »Ja«, sagt Catrin, »die ganze Zeit.«
    Majas Fassungslosigkeit verwandelt sich in Mitleid. »Das ist aber traurig«, sagt sie.
    »Nicht nur«, sagt Catrin.
    In seinen Ohren das Rauschen einer Sturmflut. Windböen, die an ihm reißen. Ein wegbrechender Deich, auf dem er dem aufgewühlten Meer entgegenrutscht. Und nichts um ihn, an dem er sich festhalten könnte. Er nimmt Maja den Löffel aus den Fingern, kratzt die Sahne aus seiner Hand und lässt sie zurück in ihre Tasse tropfen.
    »Dein Kakao wird kalt«, sagt er.
    »Ist doch egal«, sagt Maja.
    »Wie alt bist du?«, fragt Catrin.
    »Sechs«, sagt Maja.
    »Und wie heißt du?«
    »Maja.«
    »Und du?«
    Es dauert einen Moment, bis er begreift, dass sie ihn meint.
    »Das ist mein Bruder«, kommt Maja ihm zuvor. »Er heißt Jan und er ist der beste Bruder von der Welt und er ist siebzehn und er hat eine Freundin, die voll hübsch ist.« Sie betrachtet Catrin nachdenklich. »Aber nicht so hübsch wie du.«
    »Da bin ich aber beruhigt«, sagt Catrin. Und zu ihm: »Süß, deine Schwester.«
    »Ja«, sagt er, »das ist sie.«
    Die Serviererin stellt eine Tasse auf Catrins wackelnden Tisch. Kaffee schwappt über, wird von dem runden Papieruntersetzer zwischen Tasse und Untertasse aufgesogen.
    »Ich würde gerne zahlen«, sagt Jan.
    »Einen Moment«, sagt die Serviererin und verschwindet zum Tresen.
    »Geht das wieder weg mit deinen Augen?«, fragt Maja.
    »Nein«, sagt Catrin, »das bleibt so.«
    »Für immer?«
    »Wenn nicht ein Wunder geschieht, dann schon.«
    Dasselbe Gefühl wie damals auf der Landstraße. Die Stille nach dem Aufprall, der Regen auf dem Asphalt. Der blutende Mann, der auf ihn zuwankte. Ihr Name in der Dunkelheit, das herausgeschriene Ende einer Zukunft.
    »Tut mir leid«, sagt er mühsam. Seine Zunge liegt bleischwer in seinem Mund.
    »Schon okay.«
    In ihrem Lächeln eine Verlorenheit, die ihn ins Nichts wegschwemmt. Mit den Händen sucht sie nach ihrer Tasse, ertastet das Milchdöschen, das mit einem Keks am Rand der Untertasse liegt, reißt es mit ihren feingliedrigen Fingern auf, langt nach dem Tassenrand, um sich zu orientieren. Sie schüttet die Milch in den Kaffee, greift nach dem Löffel, der gegen den Rand der Tasse schlägt, rührt den Kaffee um und führt die Tasse an den Mund. Den Keks lässt sie liegen.
    Jan nimmt einen Bierdeckel, knickt ihn zweimal, schiebt ihn unter ihren Tisch.
    »Was machst du denn da?«, fragt sie.
    »Dein Tisch wackelt.«
    Sie legt die Handfläche auf das helle Holz. »Jetzt nicht mehr«,

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