Wer will schon einen Traummann: Roman (German Edition)
1
Cornelia Litchfield Case kitzelte es an der Nase. Im Übrigen eine sehr elegante Nase. Perfekte Form, diskret, damenhaft. Ihre Stirn war aristokratisch, ihre Wangenknochen anmutig geschwungen, aber nicht zu hervortretend, denn das hätte man für ordinär gehalten. Was Cornelia absolut fern lag. Tatsächlich stammten ihre Vorfahren in direkter Linie von den Pilgervätern der Mayflower ab, was bedeutete, dass ihr Stammbaum den von Jacqueline Kennedy, einer ihrer berühmtesten Amtsvorgängerinnen, an Vornehmheit noch übertraf.
Ihr langes blondes Haar, das sie schon vor Jahren hätte abschneiden lassen, wäre ihr Vater nicht dagegen gewesen, war zu einem tiefen Nackenknoten geschlungen. Später hatte dann ihr Mann sie auf seine unnachahmlich sanfte Weise – er ging immer nur sanft mit ihr um – gebeten, sie möge es doch beim Alten belassen. Und hier war sie also, eine amerikanische Aristokratin mit einer Haartracht, die sie hasste, und einer Nase, die sie nicht kratzen durfte, weil Millionen von Menschen auf der ganzen Welt sie auf dem Fernsehschirm beobachteten.
Seinen toten Gatten begraben zu müssen konnte einem wahrhaftig den ganzen Tag verderben.
Sie erschauderte, versuchte jedoch tapfer, die aufsteigende Hysterie hinunterzuschlucken – doch ihre Beherrschung hing nur mehr an einem seidenen Faden. Lady Case zwang sich, ihre Aufmerksamkeit auf den wunderschönen Oktobertag zu richten und darauf, wie herrlich die Sonne auf den gleichförmigen Grabsteinen des Arlington National Cemetery funkelte; aber der Himmel hing zu tief, die Sonne war viel zu nahe. Selbst die Erde schien näher zu kommen und sie erdrücken zu wollen.
Die beiden rechts und links von ihr stehenden Männer rückten dichter an sie heran. Der neue Präsident der Vereinigten Staaten ergriff sie beim Arm. Ihr Vater nahm ihren Ellbogen. Direkt hinter ihr stand Terry Ackerman, der engste Freund und Berater ihres Mannes, und sein Kummer schien sie wie eine große, finstere Welle zu überrollen. Diese Herrengruppe erdrückte sie, nahm ihr die Luft zum Atmen.
Cornelia hielt den Schrei, der sich aus ihrer Kehle lösen wollte, zurück, indem sie die Zehen in ihren schwarzen Lederpumps krümmte, sich in die Innenseite ihrer Unterlippe biss und an den Song »Goodbye Yellow Brick Road« dachte. Dieser Elton-John-Song erinnerte sie daran, dass er noch ein anderes Lied geschrieben hatte, eins für eine tote Prinzessin. Ob er nun auch ein Lied für den ermordeten Präsidenten schreiben würde?
Nein! Nicht daran denken! An ihre Haare konnte sie denken, an ihre juckende Nase. Daran, dass sie kaum mehr einen Bissen herunterbrachte, seit ihr ihre Sekretärin die Nachricht überbracht hatte, dass Dennis drei Blocks vom Weißen Haus entfernt von einem fanatischen Waffenbesitzer, der glaubte, sein Recht auf das Tragen von Waffen beinhalte auch das Recht, den Präsidenten als Zielscheibe zu benützen, niedergestreckt worden war. Den Mörder hatte noch am Tatort ein Polizeibeamter erschossen; aber das änderte nichts an der Tatsache, dass der Mann, den sie einmal geliebt hatte, nun in einem schimmernden schwarzen Sarg vor ihr lag.
Da sie die kleine Emaillebrosche in Form der amerikanischen Flagge, die sie sich auf das Revers ihres schwarzen Kostüms geheftet hatte, berühren wollte, entzog sie ihrem Vater den Arm. Es war der Anhänger, den Dennis so oft getragen hatte. Sie würde ihn Terry schenken. Am liebsten würde sie sich jetzt gleich zu ihm umdrehen und sie ihm geben, um seinen Kummer vielleicht ein wenig zu lindern.
Sie brauchte Hoffnung – etwas Positives, an das sie sich klammern konnte -, aber das war nicht leicht zu finden, nicht einmal für eine so überzeugte Optimistin wie sie. Doch dann kam ihr der rettende Gedanke …
Wenigstens war sie nicht mehr die First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika.
Vierundzwanzig Stunden später wurde ihr jedoch selbst dieser Trost von Lester Vandervort, dem neuen US-Präsidenten, wieder genommen. Er stand im Oval Office und blickte sie über Dennis Case’s alten Schreibtisch hinweg an. Die Schachtel mit den Mini-Milky-Ways, die ihr Mann immer in Teddy Roosevelts Frischhaltebox aufbewahrt hatte, war ebenso verschwunden wie seine Fotosammlung. Vandervort hatte noch nichts Persönliches hereingebracht, nicht einmal ein Foto von seiner verstorbenen Frau; doch sie wusste, dass sein Mitarbeiterstab dieses Versehen rasch korrigieren würde.
Vandervort war ein dünner, asketisch wirkender Mann mit einem
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