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Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Titel: Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane zu Salm
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denen ich hätte handgreiflich werden können. Eine davon spielte sich zu der Zeit ab, als meine Tochter zur Schule ging. Sie hatte große Schwierigkeiten mit Mathematik, sie wurde immer mit einer Fünf in Mathe versetzt. Ihre Lehrerin war der Meinung, dass ihre Leistungen deshalb so schlecht seien, weil irgendwas zu Hause nicht stimmen würde. Es hat ja auch zu Hause nicht gestimmt. Jedenfalls schlug die Lehrerin vor, dass ein Jugendpsychologe sich das mal zu Gemüte führen sollte. Also wurde meine Tochter dort angemeldet und ging zu zwei Sitzungen, zu denen ihr Vater sie unbedingt begleiten wollte. Na schön, dann sollte er doch. Als der nächste Termin anstand, war mein Mann bei der Kur. Deshalb bin ich mit meiner Tochter dort hingegangen. Da kam die Tante aus ihrem Zimmer heraus und sagte zu mir, und wer sind Sie? Ja, sage ich, ich bin die Mutter von Chantal. Das verstehe ich nicht, meinte die Lehrerin, Chantals Vater hat gesagt, sie habe keine Mutter. Na ja, da war das Messer wirklich nicht weit, hätte ich eines gehabt.
    Das sind solche Sachen, die ich meinem geschiedenen Mann sehr übel nehme. Heute hat man Kontakt, wir sprechen wie Herr Nachbar miteinander, denn durch die Kinder ging das gar nicht anders. Der Groll ist eigentlich weg. Aber trotzdem würde ich ihm das gerne noch mal so richtig um die Ohren hauen. Was er sich damals dabei gedacht hat. Wir haben nämlich noch gar nicht richtig darüber gesprochen, da war noch so viel anderes. Zum Beispiel, dass er unserer Tochter im Alleingang gesagt hat, dass sie ein Adoptivkind ist. Obwohl wir vorher vereinbart hatten, dass wir ihr das gemeinsam sagen. Oder dass er Chantal bei der Scheidung eingeredet hat, es sei besser, wenn sie bei ihm bleiben würde, denn bei mir müsse sie in Lumpen gehen. Als ich ihm damals sagte, dass ich das unheimlich gemein fände, dass er so etwas von sich gegeben habe, hat er bloß gegrinst. Heute kann ich mich aber beherrschen, ihm das zu sagen, denn meine Kinder haben großen Kummer. Sie haben nicht nur eine sehr kranke Mutter, sie haben auch einen sehr kranken Vater. Also, er hat auch nicht mehr so lange zu leben.
    Außerdem habe ich mit allem abgeschlossen. Ich würde sagen, ich habe alles erledigt, was mir aufgetragen wurde, wenn es so etwas gibt. Jeder kriegt so viel, wie er bewältigen kann. Obwohl ich nach der Scheidung eine unheimliche Angst hatte, ob ich das finanziell schaffen würde, habe ich alles gepackt. Und meine Kinder sind sehr brauchbare Menschen geworden, sie können sich durchsetzen. Was ich auch noch erledigt habe, war, meine Beerdigung zu organisieren. An jenem Tag brauchen meine Kinder nichts anderes zu machen, als einfach dorthin zu gehen, das beruhigt mich.
    Ja, das war eigentlich mein Leben. Andere haben vielleicht mehr erlebt oder ein tolleres Leben gehabt, aber ich muss sagen, schlecht war’s nicht. Es kam halt vieles anders, als ich dachte. Eigentlich hat nichts, was man sich vorstellt, Bestand. Es gibt so viele Umstände, die das zack, zack umschmeißen. Manche schummeln sich durch, die erleben das nicht, aber die meisten kriegen ihren Teil ab, ob sie das wollen oder nicht. Einen großen Teil oder einen kleinen. Das wird nicht gerecht verteilt, das passiert. Klar, das mit dem Schluss ist jetzt auch irgendwie schmerzlich. Auch den hatte ich mir anders vorgestellt. Ich hätte es gerne ein bisschen schöner gehabt. Aber nun ist es nicht. Und da ist kein Bedauern dabei.
    Almut Meyer, 78 Jahre, Nierenkrebs

Irgendwie wollte ich immer zu viel
    Ich habe vieles versucht, aber wenig hingekriegt. Irgendwie wollte ich immer zu viel, das sagte meine Mutter schon zu mir, als ich Kind war. Während meines Jurastudiums wollte ich unbedingt das beste Examen hinlegen– dann schloss ich mit nur einer unterdurchschnittlichen Note ab. Ich bewarb mich überall, wurde dann in einer Familienkanzlei in Münster eingestellt, habe es aber nur bis zum Bereichsleiter mit drei Mitarbeitern gebracht. Nie habe ich ein Angebot von einer größeren Kanzlei bekommen, und nie hatte ich das Gefühl, für das ganz große Ding gebraucht zu werden. Ich muss zugeben, dass das an mir genagt hat, mal mehr, mal weniger, aber irgendwie habe ich unterschwellig immer darunter gelitten. Denn ich habe mich immer danach gesehnt, dabei zu sein bei den Menschen, die die Welt verändern. Bei denen, die Macht haben. Und natürlich wollte ich auch selber Macht haben.
    Im Rückblick stelle ich fest: Ich hatte nur wenige Freunde. Mein bester Freund war

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