Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)
oder in unseren Rollstühlen heran. Auf der dritten Etage sind wir sogar eine richtige Clique geworden, so wie früher auf den Schulhöfen. Eine Gang. Da sind Vivian und Milli, Zack und Tylor und ich. Jeder von uns hat eine andere Klingel am Rollgerät, sodass man schon vom Gang aus hört, wer sich gerade im Anrollen befindet. Die von Vivian klingelt besonders hell, wie eine Schneeglocke im Frühling. Sie müssen wissen: V ivian und ich sind ineinander verliebt. Es war Liebe auf den ersten Blick; und wenn man unser baldiges Ende ins Auge fasst, dann könnte man auch sagen: auf den letzten Drücker. Ist doch toll.
Wissen Sie, man muss seinem Ende Leichtigkeit geben. Das möchte ich allen mitgeben, die das hier lesen, wenn es mich nicht mehr gibt. Denn es wird alle betreffen, irgendwann. Natürlich ist da nichts gut dran, dass man alt und krank ist. Dass man sich nicht mehr richtig bewegen kann. Dass es eine gefühlte Ewigkeit dauert, bis man sich aus dem Bett gehievt hat. Dass man abhängig ist vom Pflegepersonal. Vom Toilettengang und Geduschtwerden ganz zu schweigen. Aber dann muss man diese Situation am Ende seines Lebens doch nicht noch dadurch verstärken, sie andauernd zu beklagen. Nein, man sollte es vielmehr mit Galgenhumor betrachten und nur das in seinen Gedanken herausstellen, was einem Spaß macht: die Liebe, gutes Essen, guter Wein und Entertainment.
Gestern hatten wir zum Beispiel ein Kegelturnier für Rollstuhlfahrer. Vivian und ich wurden Zweite. Hat Riesenspaß gemacht. Was soll ich Ihnen da von meinem abgelaufenen Leben erzählen– wie ich mein Brot verdient, eine Familie aufgebaut, Probleme gelöst, Enttäuschungen bewältigt und Konflikte gemanagt habe? Zurückblicken ist meine Sache nicht. Wozu? Ich will nichts hinterlassen, weder mein Geld noch eine Botschaft. Außer dieser einen: Macht euch die letzten Tage schön! Pumpt euch zu mit Schmerzmitteln, sodass ihr nichts spürt, und dann habt Spaß. Jeden Tag, bis zum letzten.
Frank Mason, 76 Jahre, Knochenkrebs
verstorben im Januar 201*
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Grabinschrift Herbert Marcuse
Dank
Ich danke vor allem den vielen Menschen, die meiner Schwester und mir im persönlichen Gespräch anvertraut haben, wie sie ihr Leben im Rückblick sehen und mit welchen Gedanken sie in Erinnerung bleiben wollen.
Mein besonderer Dank gilt meiner Schwester Annette Hansen. Ohne sie hätte dieses Buch nicht erscheinen können.
Rebecca Casati, Anne Gordon, Inga Humpe, Matthias Landwehr, Georg Reuchlein, Lydia Röder, Evelyn Roll, Stephanie Schlaak, Frank Schirrmacher, Thomas Schmidt, Beatrix Schnippenkoetter und Anke Steinbacher danke ich für ihre ermutigenden wie kritischen Ratschläge, insbesondere bevor ich mit diesem Buch angefangen habe.
Vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Hospiz e, Pfleg eheime und Krankenhäuser, die wir besucht haben, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Insbesondere Carmen Dietrich (Hospiz Schöneberg-Steglitz), Tina Golach, Sylvia Hörchner, Frau Jentzsch, Herrn Pape, Josef Reppenhorst (Hospiz Hamburg Leuchtfeuer), Lydia Röder (Lazarus Hospiz), Jana Thierfelder, Maik Turni (Ricam Hospiz) und Martina Zahn möchte ich danken. Ohne ihre und die Unterstützung vieler anderer Mitarbeiter hätten wir nicht den Zugang zu den Menschen bekommen, die in diesem Buch erzählen, wie ihr Leben war. In den vielen Pflegeheimen, die ich deutschlandweit und in den USA besucht habe, bin ich ausschließlich freundlichen, geduldigen und einfühlsamen Mitarbeitern begegnet, von der Pflegedienstleitung bis zur Putzhilfe. Ihnen gilt mein höchster Respekt für das, was sie täglich an unserer Gesellschaft leisten.
An letzter und an erster Stelle danke ich Uta Hansen und Georg Kofler. Beide wissen schon, wofür.
Literatur- und Filmempfehlungen
Literatur
Albom, Mitch: Dienstags bei Morrie. Die Lehre eines Lebens. Goldmann, München 2002.
Anwar, Petra und John von Düffel: Geschichten vom Sterben. Piper, München 2013.
Barnes, Julian: Nichts, was man fürchten müsste. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010.
Borasio, Gian Domenico: Über das Sterben. Was wir wissen. Was wir tun können. Wie wir uns darauf einstellen. C.H. Beck Verlag, München 2012.
Degen, Florentine: Ich könnte das nicht: Mein Jahr im Hospiz. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012.
Didion, Joan: Das Jahr des magischen Denkens, List Taschenbuch, Berlin 2008.
Fremantle, Francesca und Chögyam Trungpa (Hg.): Das Totenbuch der Tibeter. Diederichs Gelbe Reihe, München
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