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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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den Kopf an einem
tiefhängenden Ast an. Endlich entdeckte ich vor mir Licht.
    Das Hauptschloß war hell erleuchtet,
aber an allen Fenstern waren die Jalousien unten. Alle anderen Gebäude lagen im
Dunkeln. Zwischen mir und der Eingangstür stand eine Gestalt: groß, in einer
weiten Jacke, durch die der Wind blies.
    Gerry war zurückgekommen.
Wahrscheinlich war er den ganzen Abend lang herumgelaufen oder hatte in einer
Kneipe gehockt. Bei seiner Rückkehr hatte er wohl festgestellt, daß er seine
Schlüssel vergessen hatte. Vicky hatte ihn hereingelassen; sie hatte sich ja am
Telefon beschwert, daß sie seinetwegen aufbleiben müsse.
    Aber nun, da Gerry zu Hause war, schien
er sich nicht sicher zu sein, ob er bleiben wollte. Er stand nur ein paar Meter
von der Eingangstür entfernt und schien die eigenartigen Proportionen des
Gebäudes zu betrachten.
    Vielleicht studierte er wirklich das
Haus, dachte ich. Vielleicht fragt er sich, warum er zurückgekommen ist. Fragte
sich, ob es wirklich der Mühe wert war, an diesen Ort, von dem er geflohen war,
und zu Vicky und ihren unüberwindlichen Problemen zurückzukehren.
    Ich wollte gerade den Mund öffnen und
ihm etwas zurufen, als ich hinter mir ein Geräusch hörte. Ich blickte mich um
und sah, wie sich ein großes Stück Rinde von einem nahe gelegenen
Eukalyptusbaum löste und zu Boden fiel. Als ich wieder zu Gerry hinschaute,
ging er gerade langsam auf die Eingangstür zu.
    Und dann fielen Schüsse.
    Es waren drei, die in kurzen Abständen
aufeinander folgten. Krachende Schüsse, typisch für eine kleinkalibrige
Handfeuerwaffe. Sie kamen von irgendeiner Stelle zwischen dem Hauptschloß und
dem Gebäude, in dem das Schlafzimmer untergebracht war.
    Gerry fiel zu Boden.
    Noch ein Schuß.
    Ich ging auch zu Boden.
    Ich riß die .38er aus der Tasche und
kroch vorwärts. Mein Mund schmeckte nach Metall, und in meinem Körper kribbelte
es. Ich versuchte, in den Nebelschwaden den Schützen auszumachen.
    Niemand.
    Ich kroch unter den Bäumen hervor,
robbte weiter, wobei sich mir Steine in die Knie bohrten. Meine Finger waren
eisig, wie festgefroren am Griff meines Revolvers. Am Ende des Weges, in der
Nähe der Eingangstür, lag Gerry regungslos auf der Erde.
    Ich kroch weiter. Ich drückte mich auf
den Boden, als von links eine andere Gestalt herbeigelaufen kam — eine Gestalt
ganz in Weiß, die wie ein Geisterwesen aus dem Nebel auftauchte und leichtfüßig
und geräuschlos zu der Stelle lief, wo Gerry lag.
    Ich sprang auf, packte den Revolver mit
beiden Händen und sagte: »Bleiben Sie, wo Sie sind, Vicky!«
    Sie erstarrte, dann wirbelte sie mit
flatterndem Nachthemd herum. Etwas entglitt ihrer rechten Hand und fiel zu
Boden. Auf ihrem weißen Nachthemd hoben sich rote Flecken ab, die vermutlich
von dem Wein kamen, den sie am Samstag abend gegen den Kamin geworfen hatte — Flecken,
die jetzt wie Blut aussahen.
    Gerry, der hinter ihr lag, bewegte sich
nicht.
    »Sharon«, sagte sie. »Ich habe Schüsse
gehört.« Ihre Augen wanderten zu dem Revolver in meiner Hand. »Sie haben
geschossen...«
    »Nein«, sagte ich. »Nein, Vicky, das
waren Sie.«
    Sie breitete ihre Hände aus. Das
Nachthemd wurde von einem Windstoß erfaßt und flatterte in die Höhe. Sie sah
aus wie ein verrückter Engel.
    »Aber wie denn?« fragte sie. »Ich habe
keine Waffe.«
    Ich hatte gesehen, wie sie sie
weggeworfen hatte. Ich winkte ihr zu. »Gehen Sie zur Tür.«
    Sie blieb, wo sie war. Ich ging näher
heran. Nun konnte ich ihren Gesichtsausdruck erkennen. Sie hatte die Brauen
gerunzelt und sah wieder so aus, als versuchte sie vergeblich zu verstehen, was
vorging.
    Ich winkte ihr nochmals mit dem
Revolver zu. Sie schaute einen Augenblick auf die Waffe, zuckte dann die
Achseln und ging zur Tür. Sie mußte um Gerry herumgehen, um die Tür zu
erreichen, aber sie schaute ihn nicht einmal an.
    Ich ging hinüber und fand die Pistole
auf dem Rasen, wo sie sie fallen gelassen hatte. Es war die 22er, von der sie
gesagt hatte, daß Gerry und sie sie in ihrem Schlafzimmer aufbewahrten. Ich hob
sie am Ende des Laufes auf, damit ich ihre Fingerabdrücke nicht verwischte, und
legte sie in das äußere Fach meiner Tasche. Dann ging ich zu Gerry und kniete
mich nieder. Die 38er hielt ich immer noch auf Vicky gerichtet.
    Im Laufe des Abends muß er seine
modische Sportjacke gegen eine schwere Nylonjacke vertauscht haben, dachte ich.
Der dunkle Fleck an seiner Schulter breitete sich aus. Ich hörte ihn leise
stöhnen.

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