"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
Wutausbrüchen und Tränen endete – und in der Tatsache, dass ab diesem Zeitpunkt Planschen im See nur noch mit Oma als Aufpasserin am Ufer möglich war. Sie können sicher verstehen, dass dies nicht nur nervig, sondern für das Spiel fast tödlich war. Doch der Überwachungsskandal in Mampong zeigte eine nachhaltige Wirkung: Als ich später ins Internat in die Küstenstadt Accra kam, sah ich zum ersten Mal das große Wasser, das Meer. Allerdings war ich nie drin in dem salzigen Nass. Das hatte die Oma schließlich verboten.
Mama zu Besuch
Da meine Eltern relativ früh nach meiner Geburt Ghana verlassen hatten, kannte ich sie kaum. Die Erinnerung an sie war sehr schwach. Erst als ich fünf Jahre alt war, habe ich meine Mutter erstmals bewusst gesehen, als sie aus Deutschland zu Besuch kam. Wie schön sie war, wie stolz ich war! Da konnte ich es verschmerzen, dass Papa nicht mitgekommen war. Ihn lernte ich erst mit zehn Jahren kennen, als ich schon im Internat in Accra war.
Meine Mutter brachte natürlich viele Geschenke mit, nicht nur für mich, sondern auch für die ganze Familie und meine Freunde. So ist das in Ghana: Wer etwas hat, gibt es ab! Der absolute Held bei meinen Kumpels aber wurde ich, als meine Mutter erstmals Bälle im Gepäck hatte. Der fußballverrückte Gerald musste also nicht mehr mit zusammengeknüllten Socken spielen. Das war eine Wonne!
Komischerweise waren meine Freunde nie neidisch auf mich, wenn meine Mutter mich und meine Schwestern mit Geschenken verwöhnte. Vielleicht weil sie wussten, dass sie auch etwas von den Keksen und den anderen schönen Sachen abbekommen würden. Im Grunde haben sie sich eher für mich gefreut. Selbst an dem Tag, an dem ich als einer der Ersten im Dorf ein Fahrrad bekam. Da haben meine Freunde und ich nicht nur gemeinsam viel Spaß mit dem Drahtesel gehabt – keiner konnte damit umgehen! –, sondern wurden auch gleich richtig geschäftstüchtig. Wir verliehen das Fahrrad nämlich kurzerhand an Jung und Alt gegen Gebühr. Meistens hieß die Währung »Keks«. Für eine Handvoll Kekse gab es als Gegenleistung eine bestimmte Zeit mit dem Fahrrad. In der Regel waren alle mit dem Geschäft glücklich und zufrieden: Die Fahrer hatten ein flottes Fortbewegungsmittel und wir Kinder schlugen uns mit dem Gebäck den Magen voll.
Und noch etwas fällt mir ein. Wir waren wahrscheinlich die einzigen Kinder in ganz Ghana, für die ein Katalog ein buntes Märchenbuch war. Auf ihren Besuchen brachte meine Mutter gerne den aktuellen O tto -Katalog mit. Darin suchten wir Kinder uns dann Geschenke aus. Leider ging keiner unserer Wünsche je in Erfüllung. Aber das Blättern im großen Spielzeugtraumbuch aus dem fernen Deutschland war eine unserer liebsten Beschäftigungen. Was für ein Traumland musste dieses Deutschland bloß sein, wenn es dort Sachen in den verschiedensten Ausführungen und Modellen gab, die man in Ghana gar nicht kannte?
Manchmal beneidete ich meine Mutter, wenn sie wieder in dieses Paradies abreiste. Das machte mich traurig – aber nur für kurze Zeit. Denn ich wusste, dass meine Nana weiter für mich da sein würde. Sie war eben zu dieser Zeit meine Mutter.
Ohne Schuhe geht es auch
Bis zum neunten Lebensjahr ging ich im Dorf zur Schule und hoffte jeden Tag, sie möge bald vorbei sein, dieser blöde und langweilige Unterricht. Denn eigentlich interessierte mich nur Fußball – und der bestimmte den restlichen Tagesablauf. Immer und überall, wann und wo es ging, rollte der Ball über ein improvisiertes Spielfeld und ich jagte ihm hinterher. Der Rest der Welt konnte mir in diesen Augenblicken gestohlen bleiben.
Da Fußball in Ghana meistens barfuß gespielt wird, dienten meine Schuhe häufig als Torpfosten. Dass ich welche hatte, war echter Luxus. Ohne Neid freuten sich auch meine Spielkameraden darüber, denn so mussten wir nicht lange nach geeignetem Material zum Torbau suchen. Und dann spielten wir mit allem, was annähernd rund war, und ich begann glücksbeseelt zu träumen: von einer Karriere wie sie Anthony Yeboah gemacht hatte, der in Deutschland zu dieser Zeit ein toller Stürmer war. Leider endeten meine Träume dann meistens plötzlich und unsanft – mit einer Ohrfeige von meiner Nana. Denn oft genug ging ich jubelnd als Sieger nach Hause, was ich aber vergessen hatte, waren meine guten Schuhe. Das passierte nicht nur einmal und führte dazu, dass ich nicht nur eine Backpfeife kassierte, sondern auch ohne Schuhe zur Schule gehen musste.
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