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Racheopfer

Racheopfer

Titel: Racheopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Cross
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    Francis Ackerman junior blickte in das hübsche Gesicht der Reporterin. Asiatisch-amerikanische Merkmale vermischten sich mit einem europäischen Einschlag und ließen die Züge der jungen Frau exotisch und vertraut zugleich erscheinen. Da Ackerman sich an eine Welt ohne Farben gewöhnt hatte, erschienen ihm ihre bunte Kleidung und das Rot ihres Lippenstifts beinahe fremd.
    Als er in ihren mandelbraunen Augen versank, vergaß er alles andere. Er bekam nicht einmal mit, für welchen Nachrichtensender sie arbeitete. Lächelnd dankte sie ihm für seine Einwilligung zu einem Interview. Ackerman merkte ihr eine leichte Zurückhaltung an, aber nichts, was auf Angst hindeutete.
    Ackerman grinste in sich hinein.
    Wie hätte das Verhalten der Hübschen sich wohl verändert, hätte sie gewusst, dass er die Hände bereits aus den Handschellen befreit hatte?
    Der Verhörstuhl, auf dem Ackerman saß, wies alle denkbaren Vorrichtungen auf, die ihn zur Bewegungslosigkeit verdammen und daran hindern sollten, über die Reporterin und ihr Kamerateam herzufallen. Doch der Wärter, der ihm die Hände gefesselt hatte, schien Ackermans Akte nicht sorgfältig gelesen zu haben, sonst hätte er gewusst, dass ihm ein verhängnisvoller Fehler unterlaufen war: An Ackermans vernarbten Armen – eine Erinnerung an die Folterungen durch seinen Vater – war das übliche Verfahren, die Fesselzangen so weit zu schließen, dass die Hände sicher und möglichst schmerzfrei fixiert wurden, nicht anwendbar. Durch das Narbengewebe waren seine Unterarme und Handgelenke dicker als die Hände - deshalb hätten die Schellen extrem eng angelegt werden müssen. Als Ackerman kaum Druck an den Handgelenken spürte, hatte er gewusst, dass ihm und seinen Besuchern ein interessanter Tag bevorstand.
    Nach mehreren einleitenden, harmlosen Fragen, die dazu dienen sollten, dass Ackerman sich warm redete, während sie ein Gefühl für ihn bekam, begann die Reporterin mit ihrem Vorstoß in dunklere Gefilde. Ackerman hatte sich überlegt, wie er auf ihre Fragen reagieren sollte. Er hatte jeden seiner Schritte genau überdacht und im Hinblick darauf analysiert, wie sein Publikum es aufnehmen würde. Schließlich bot sich ihm hier die Gelegenheit, zu seiner eigenen Legende beizutragen, indem er die erwartungsvolle Öffentlichkeit schockierte. Aber wie gelang ihm das am besten?
    Er konnte in verschiedene Rollen schlüpfen: in den weitschweifigen Psychotiker, den stillen, dumpf brütenden Typ, den wutschäumenden Irren oder – sein Favorit – den allseits beliebten Hannibal-Lecter-Verschnitt. Aber das alles war ihm zu distanziert, zu fremd, zu künstlich. Es würde ihn seinem Ziel nicht näher bringen. Wenn er die Leute wirklich schockieren wollte, musste er ihre Illusion der Sicherheit brutal zerschmettern. Sie mussten Angst davor bekommen, dass er vor ihrer Haustür erschien und sie auf charmante Weise dazu brachte, ihn ins Haus zu lassen, das er dann in ein Schlachthaus verwandelte. Deshalb hatte Ackerman beschlossen, beim Interview in die Rolle des Charmeurs mit einem Hang zur Grausamkeit zu schlüpfen.
    »Mr. Ackerman, Sie sind wegen vielfachen Mordes verurteilt worden. Möchten Sie den Familien Ihrer Opfer etwas sagen?«
    Er schien über die Frage nachzudenken, wartete aber nur deshalb einen Moment, um seiner Antwort größere Wirkung zu verleihen. »Alles, was den Angehörigen gesagt werden musste, habe ich durch den Akt des Tötens ihrer Lieben gesagt. Aber wenn ich den Familien etwas sagen wollte, dann dies: Vergießt über die Dahingegangenen keine Träne, denn ihr Leid ist zu Ende.«
    »Töten Sie deshalb? Weil andere für die Qualen bezahlen sollen, die Sie in Ihrem Leben erdulden mussten?«
    Bei ihren Worten kroch Ackerman die Stimme seines Vaters in den Kopf.
    Komm, Francis, lass uns ein Spiel machen … Du bist ein Ungeheuer, Francis … Töte sie, und die Schmerzen hören auf …
    »Keineswegs. Ich töte, weil ich ein Raubtier bin. Wissen Sie, heutzutage scheinen wir vergessen zu haben, dass wir im Grunde noch immer eine Meute wilder Tiere sind. Wir glauben, über solchen Dingen zu stehen, aber letzten Endes sind wir alle entweder Raubtier oder Beute. Im Vergleich zu unseren Mitgeschöpfen jedenfalls stehen wir ganz oben in der Nahrungskette. Das Problem ist nur, dass wir Räuber sind, die ihr gesamtes Leben in Käfigen verbracht haben. Wir sind lediglich domestiziert worden. Wir glauben, wir könnten mithilfe unseres Moralverständnisses die animalische

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