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Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Titel: Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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weitere Tätigkeit in der Konditorbranche unmöglich machte. Er ließ die Torten links liegen und wurde Fahrlehrer.
    Als Erstes fragte ich ihn, ob ich nicht zu alt sei, um vorausschauendes Fahren zu lernen. Ging es überhaupt noch, einem Mann oder einer Frau, die nicht mehr zwanzig waren, das Autofahren in einer Großstadt beizubringen? Oft wird behauptet, ab einem bestimmten Alter seien Menschen nicht mehr lernfähig. In Singapur, wo man für alle möglichen großen und kleinen Verbrechen Bambushiebe verordnet bekommt, werden Verbrecher ab dem fünfzigsten Lebensjahr nicht mehr geschlagen, weil die Richter dort der Meinung sind, das bringe bei älteren Menschen sowieso nichts, da wäre ohnehin nicht mehr viel zu ändern.
    Er habe schon mal eine Schülerin gehabt, die sah aus wie achtzig, fuhr aber, als wäre sie 29, beruhigte mich Martin und drückte mir die Autoschlüssel des Fahrschul-Audis in die Hand. Es war nicht einmal besonders schwer, den Verkehrsregeln entsprechend in der Stadt zu fahren. Das Problem dabei war nur, dass man kaum vorankam, wenn man all diese Regeln penibel beachtete. Überall gab es verkehrsberuhigte Zonen, Tempo-30-Zonen, Baustellen oder Fahrbahnschäden, Schulbusse und Kindergärten. Ich fragte Martin politisch korrekt, ob er schon wisse, wann das Verkehrsschild für Aussteigen und Schieben komme. Er lächelte und sagte mit seiner üblichen Logik, meine primäre Aufgabe als Fahrschüler sei es nicht, schnell voranzukommen, sondern die Fahrprüfung zu bestehen. Und dazu müssten wir uns mit erhöhter Aufmerksamkeit durch die Straßen bewegen, schön in die Spiegel schauen und immer alle Verkehrszeichen beachten. Wenn wir aber die Prüfung bestanden hätten, würde man mich meiner eigenen Verantwortung überlassen.
    Und tatsächlich sah ich, dass die meisten Verkehrsteilnehmer, die nicht in einem Auto mit dem Schild »Fahrschule« auf dem Dach unterwegs waren, einen ganz anderen Fahrstil pflegten. Sie fuhren viel schneller, als die Verkehrsschilder zur Geschwindigkeitsbegrenzung erlaubten, sie gingen weniger galant miteinander um und vergaßen ständig zu blinken, wenn sie die Spur wechselten. Sie hatten ja alle schon ihren Führerschein, obwohl man sich bei vielen wunderte, aus welcher unverantwortlichen Hand er oder sie dieses Dokument erhalten hatte.
    Mit dem Audi der Fahrschule machte ich einen auf perfekten Fahrer. Ich lernte, Fußgänger als gleichberechtigte Teilnehmer des Straßenverkehrs zu akzeptieren, obwohl sie keine Räder haben. Ich lernte, Fahrradfahrer nicht zu überholen, obwohl sie provozierend mit ihrem Fahrradgestell vor meiner Nase wackelten. Und ich lernte, ausreichenden Abstand zu allem einzuhalten, was sich links und rechts von mir bewegte oder stand.
    Abends gab es Theorie-Unterricht. Zu jedem Kapitel aus dem Lehrbuch hatte unser Fahrschullehrer eine lustige Geschichte aus dem Leben parat, die ihm oder einem Freund passiert war. Auf den Plakaten, die während des Theorieunterrichts an den Wänden des Fahrschulraums hingen, fuhren jede Menge Traktoren, Pferdewagen, Rennwagen und LKW s. Es war in vielen Situationen unklar, wer wem die Vorfahrt lassen musste. Ich lernte zu Hause die Prüfungsfragen und freute mich über dieses Studium. Schon lange hatte ich nichts mehr auswendig lernen müssen, und nun dieses vorausschauende Fahren. Theorie und Praxis klafften allerdings stark auseinander, wenn ich mich hinter das Lenkrad klemmte.
    Ehrlich gesagt hatte ich, bevor ich zur Fahrschule ging, im Urlaub schon ein wenig geübt, im Nordkaukasus, wo wir bei der Familie meiner Frau traditionell jedes Jahr im August ein paar Wochen verbringen. Die kaukasische Familie ist groß und hat zwei Fahrzeuge, einen alten geschlagenen und geschundenen Opel Vectra, mit dem der Ehemann der jüngsten Tochter des Bruders meiner Schwiegermutter fährt, und einen nagelneuen französischen Siebensitzer von Renault, der vom Bruder der Schwiegermutter persönlich gelenkt wird. Ich dachte, bevor ich in eine deutsche Fahrschule gehe, werde ich im Urlaub das Nützliche mit dem Spaßigen verbinden und ein wenig mit dem einen oder anderen Wagen herumfahren. Man händigte mir widerstandslos die Autoschlüssel aus. Ich fuhr sowohl mit dem Opel als auch dem Renault, musste aber schnell einsehen, dass dieses Herumfahren mir keine neuen Erkenntnisse über das Autofahren einbrachte. Das Problem war: Man kann im Nordkaukasus kein vorausschauendes Fahren lernen. Es hat dort keinen Sinn zu blinken, ob nun als

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