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Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Titel: Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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Links- oder Rechtsabbieger. Es gibt dort auch nur sehr wenige Verkehrszeichen, höchstens eines pro Dorf, und Vorfahrtsangelegenheiten werden nach der Größe des Autos geregelt: Das größte Auto hat immer Vorfahrt. Manchmal allerdings auch das schnellere, wenn es rasch genug an der Kreuzung Gas gibt.
    Nein, für Berlin konnte man im Kaukasus nichts Brauchbares lernen. Als wir von dort zurückkamen, musste ich als Fahrschüler nun vielmehr die kaukasischen Fahrgewohnheiten mühsam wieder vergessen und auf die kleineren Verkehrsteilnehmer achten, die lebensmüden Omas, die einem unter die Räder laufen, die Fahrradfahrer, die mit dem Rad hin und her schwenken, und die unentschlossenen kleinen Frauen am Lenkrad großer schwarzer Fahrzeuge, die sich vor keiner Ampel entscheiden können, ob sie links oder rechts fahren oder doch einfach stehen bleiben sollen.
    Anfangs drehte ich mich im Fahrersitz wie eine Natter in der heißen Pfanne, ich wollte so viele Blicke nach allen Seiten werfen, wie es nur ging. Ein paar richtige werden schon dabei sein, dachte ich. Mein Fahrlehrer erzählte mir jedoch, dass es so nicht ging. Man musste ein Grundvertrauen in andere Verkehrsteilnehmer haben, auch wenn es einem schwerfiel. Schnell hakten wir die notwendigen Stunden ab, lernten wenden und parken, und zwischendurch absolvierte ich die Theorieprüfung. Bei Tausenden von Theoriefragen musste man eigentlich nur bestimmte Wörter auswendig lernen, die immer für die richtige beziehungsweise falsche Antwort standen. Wenn zum Beispiel in einer der möglichen Antworten Ausdrücke wie »Schrittgeschwindigkeit« oder »erhöhte Aufmerksamkeit« standen, konnte man sicher sein, dass das die richtige war. Die Antwort »hupen und weiterfahren« deutete dagegen in jeder Situation auf falsches Verhalten hin. Diese Wendung kam so oft in dem Lehrbuch für angehende Autofahrer vor, dass sie zu einem geflügelten Wort in unserer Familie wurde. Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, das einem leidtut, sagen wir seitdem: »Scheiß drauf. Hupen und weiterfahren.«
    Trotz der vermeintlichen Einfachheit sah ich bei der Theorieprüfung viele, die sie nicht bestanden. Eine Russin weinte sogar im Korridor der Prüfstelle bittere Tränen und wurde dazu noch von ihrem Mann beschimpft.
    »Das ist schon deine siebte Prüfung!«, schrie er, »eine solche Geldverschwendung können wir uns nicht leisten!«
    »Ich verstehe die Fragen nicht«, gab die Blondine zu.
    »Bist du blond oder was?«, rief der Mann. Es hörte sich nicht nach echter Liebe an.
    Mit der bestandenen Theorieprüfung stand nun der praktischen Fahrprüfung nichts mehr im Weg. Ich absolvierte eine Fahrt auf der Landstraße, musste einen Traktor überholen und einem Pferd ausweichen, fuhr drei Stunden lang auf der Autobahn und lernte Auf- und Abfahrten richtig zu benutzen.
    Die Zeit läuft anders, wenn man schnell fährt. Als meine Frau und ich mit der Fahrschule anfingen, flogen noch die Marienkäfer durch die Luft, halbnackte Berlinerinnen und Berliner lagen im Gras und sonnten sich. Der Sommer ging, ihm folgte der Herbst, schließlich bereitete sich die Stadt auf Weihnachten vor, und wir waren noch immer nicht mit der Fahrschule fertig. Der Schnee fiel für die Jahreszeit völlig unerwartet mitten im Dezember, und wie aus dem heiteren Himmel verschüttete und überraschte er die Stadt und das ganze Land. Züge blieben stehen, Weichen froren ein, den deutschen Flughäfen ging die Enteisungsflüssigkeit aus, und die Autobahnen machten dicht. Die Bahn riet sogar von Bahnfahrten ab, Fluggesellschaften warben fürs Nichtfliegen, Autofahrer wurden mit Warnungen terrorisiert.
    Martin sagte, er hätte in diesem Jahr sowieso keine Termine für die Prüfung mehr, wir müssten sie aufs neue Jahr verschieben. Meine Nachtfahrt absolvierte ich noch kurz vor Weihnachten im bis zum Deckel verschneiten Berlin, auch ein paar zusätzliche Stunden im Schnee ließ ich mir nicht entgehen. Trotzdem meinte Martin, ein Perfektionist in seinem Fach, ich sei noch nicht so weit. Bei der letzten Fahrt hätte ich in einem mit Schnee bedeckten Volkswagen den Schulbus nicht erkannt und ihn deswegen nicht mit der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit überholt. Das wäre das Ende meiner Prüfung gewesen, erklärte mir Martin.
    Also beschlossen wir, weiter zu trainieren. Die Stadt schmückte sich mit Girlanden, frohe Bürger schleppten große Tannen nach Hause, ich fuhr vorausschauend und freundlich von Prenzlauer Berg bis nach

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