Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)
Schwanensee-Aufführung des Balletttheaters von Baku und verliebten sich auf der Stelle in die kleinen Schwäne. Die kleinen Makel der Frauen, die sie an einer Solokarriere auf der Bühne hinderten, gefielen den Offizieren besonders gut. Sie heirateten die vier kleinen Schwäne und nahmen sie mit nach Deutschland. In der DDR wurden die jungen Offiziersfamilien in Bad Sülze einquartiert, einem kleinen Kaff in der Nähe von Rostock. Bad Sülze hatte, wie der Name schon ahnen lässt, nichts mit Ballett am Hut. Das Tanzen gehörte ab sofort der Vergangenheit an, aber die Schwäne zeigten große Tapferkeit. Aus Erfahrung weiß man, dass Frauen sich neuen Lebensbedingungen besser anpassen können als Männer – sie sind flexibler und toleranter. Sie machen weniger Ärger, vielleicht leben sie deswegen auch länger. Die Schwäne suchten also nach einer neuen Arbeit in dieser neuen Welt. Wenige Monate nach ihrer Umsiedlung ging die DDR dann allerdings wie ein abgeschossenes U-Boot für immer unter und fiel auseinander.
Die jungen NVA -Offiziere mussten sich nun ebenfalls einen neuen Job suchen, umschulen und sich an die neuen Anforderungen anpassen. Der eine wurde Polizist, der andere Zollfahnder, der dritte kam als Sicherheitsexperte bei der deutschen Botschaft in der Ukraine unter, und der vierte wurde Fähnrich bei der Bundeswehr. In den Irrungen und Wirrungen dieser postsozialistischen Zeit, in der alle alten Werte vermischt wurden und man neu definierte, wen man füttern und wohin man klettern durfte, zerbrachen viele Familien. Man hatte das Gefühl, die ganzen Verpflichtungen und Zugeständnisse von früher zählten nichts mehr. Mit den neuen Jobs hatten die ehemaligen NVA -Offiziere andere, besser zur neuen Zeit passende Frauen kennengelernt. Der Polizist verliebte sich in seine Polizeichefin, der Zollfahnder ganz romantisch in eine vietnamesische Zigarettenverkäuferin, der Sicherheitsexperte in eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in der Republik Ukraine. Diese Mitarbeiterin war eine Einheimische mit sehr tiefem Ausschnitt. Sie beugte sich jeden Morgen tief über das Personalbuch, in dem sie eine Unterschrift zu leisten hatte. Der Sicherheitsexperte saß währenddessen neben der Schranke und beobachtete die Lage. Der wichtigste Teil der Arbeit eines Sicherheitsexperten ist, die Lage zu beobachten und scharf zu beurteilen. Er hat also auftragsgemäß den Ausschnitt genau beobachtet und scharf geurteilt – und schon war es um ihn geschehen. Der Fähnrich wiederum verlor sein Herz an eine junge Rekrutin.
Nicht einmal zehn Jahre nach der Wiedervereinigung waren so alle kleinen Schwäne alleinerziehend. Sie haben sich aber inzwischen in der neuen Realität gut eingelebt. Alle haben einen Job, verdienen genug Geld, und einige haben auch neue Lebenspartner gefunden. Die Vergangenheit soll vergessen sein, die dummen Tänze, die naiven Träume von damals. Nur wenn sie einmal im Monat zu uns nach Glücklitz herausfahren, zum See hinunterlaufen und die Schwäne füttern, kommt die Vergangenheit wieder hoch. Dann stehen sie stundenlang am Ufer und reden schlecht über deutsche Männer.
Der Forellenpuff
Der Mensch leidet bekanntlich unter Kontrollzwang. In jede vorhandene Ordnung versucht er, noch seine eigene Unterordnung einzubringen. Deswegen darf man in Deutschland nur an speziell eingerichteten Orten fischen, nachdem man die entsprechenden Angelscheine gekauft und eine Fischereiprüfung absolviert hat.
Die meisten frischgebackenen Berliner Angler zieht es gar nicht zum großen See. Der Weg ist zu lang, die Beute zu ungewiss. Die meisten ziehen es vor, am Wochenende an einem der vielen Teiche rund um Berlin ihr Anglerglück zu versuchen. Wenn ihnen da der große Fisch auch nicht an den Haken kommt, können sie ihn jederzeit im Fischladen kaufen, der zu jedem vernünftigen Teich dazugehört. Man darf sich den großen Fisch aus dem Laden sogar gegen einen kleinen Aufpreis an den Haken hängen und sich damit fotografieren lassen, um später mit dem Foto anzugeben. Doch so etwas Albernes machen nicht viele.
Mein Freund Alexander und ich haben uns ebenfalls für einen Teich entschieden: den Teich am Sacrower See, im Volk besser als Forellenpuff bekannt. Wir haben zuerst gerätselt, warum dieser Teich so einen abstrusen Namen hat. Genau genommen handelt es sich bei dieser Angleranlage um drei Teiche – zwei kleine und einen großen, der, so dachten wir, am besten zum Angeln geeignet war. Fische mögen Gras, dicht
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