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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Relativität. Es war ein staubiges Zimmer, in dem ein chaotisches Durcheinander herrschte, aber es spiegelte Rory O’Malley wider, dachte Ben, als wäre es eine Projektion seines Geistes.
    Es hatte ein paar Wochen gedauert, bis Julia diese Zusammenkunft anberaumt hatte. Sie benötige etwas Zeit, um einige Aspekte von Rorys »Bericht« zu überprüfen, hatte sie dunkel angedeutet, und nun war sie mit einer schmalen Aktentasche angerückt, in der sich vermutlich die Früchte dieser Recherchen befanden. Ben ertappte sich dabei, dass er die Aktentasche mit bangem Blick betrachtete.
    Auch war ihm gar nicht wohl dabei zumute, wie
Rory auf Julias inquisitorische Fragen hin freimütig Auskunft über sich gab – und über ihn gleich mit.
    »Du musst nicht mit ihr reden, wenn du nicht willst, Rory«, sagte er scharf. »Ich meine, wer ist sie schon?«
    Rory sah ihn niedergeschlagen an. »Weißt du’s denn nicht?«
    Julia lächelte bloß.
    »Ich will dir sagen, wer sie ist«, erklärte Rory. »Sie ist eine verdammte SS-Offizierin, das ist sie. Sie hat weitaus mehr getan, als Hitler die Hand zu schütteln.«
    Ben starrte sie entsetzt an.
    Julia nahm eine neue Zigarette aus dem silbernen Etui, das sie bei sich trug. »Ach, nun schau nicht so schockiert drein, Benjamin. Ich entschuldige mich dafür, dass ich’s dir nicht gesagt habe. Aber du hättest wohl kaum mit mir geschlafen, wenn du’s gewusst hättest, oder? Machen wir weiter. Ihr habt euch in Spanien kennengelernt, während des Bürgerkrieges.«
    Rory war sichtlich unwohl zumute. Er antwortete mit stockender Stimme.
    Schon mit zweiundzwanzig Jahren war er aus seiner Geburtsstadt Dublin nach New York gegangen, vorgeblich um zu studieren. Doch er hatte sich rasch einen Namen als Kolumnist gemacht, weil er ein energischer Idealist war, der kein Blatt vor den Mund nahm. Dann war er nach Spanien gegangen, um an einem Buch über die siebenhundertjährige Geschichte von Koexistenz und Konflikt zwischen Christentum und Islam auf der Iberischen Halbinsel zu arbeiten.

    »Ich war in Sevilla, als die ganze Sache losging. Der Bürgerkrieg. Die Stadt ist Francos Nationalisten binnen Tagen in die Hände gefallen. Nach der Einnahme der Städte war das Blutvergießen noch schlimmer, weil die Nationalisten Vergeltungsmaßnahmen ergriffen haben. Also bin ich nach Norden geflohen, in die republikanischen Gebiete.«
    »Und dort seid ihr euch begegnet?«, wandte sich Julia an Ben.
    »Ich hatte in Deutschland schon genug von den Faschisten gesehen«, sagte Ben widerstrebend. »Ich bin nach Spanien gegangen, um in den Internationalen Brigaden zu kämpfen. Hinterher bin ich nicht mehr nach Österreich zurückgekehrt. Die Amerikaner in meiner Brigade haben mir geholfen. Zu guter Letzt ist es ihnen gelungen, mir ein Visum für die Staaten und einen Studienplatz hier in Princeton zu besorgen, wo ich mein Studium fortsetzen konnte.«
    »Die Spanier haben mich noch nie sonderlich beeindruckt«, sagte Julia forsch. »Sie hatten all diesen Reichtum, ein Weltreich, das Gold der Inkas und der Azteken. Und binnen eines Jahrhunderts nach Kolumbus haben sie alles für dynastische Kriege verschleudert. Und dann ihr Bürgerkrieg – welch sinnloser Konflikt!«
    »Dreihundertfünfzigtausend Menschen sind gestorben«, erwiderte Rory zornig. »Viele davon durch deutsche und italienische Bomben und Kugeln.«
    »Man hat neue Formen der Kriegsführung erprobt. Ein imperialer Staat wurde zu einem Testgelände für die Waffen überlegener Mächte. So viel zu Spanien!«

    »Du bist verdammt kalt, Julia«, fuhr Ben auf.
    Julia lachte. »Nein. Nur realistisch. Habt ihr miteinander geschlafen?«
    Sie antworteten gleichzeitig. »Nein«, sagte Rory, und Ben, wehmütiger: »Nur ein einziges Mal.«
    »Und bei eurem Bettgeflüster in Spanien habt ihr dann wohl angefangen, von Zeitmaschinen zu träumen.«
    »Es war eine Bündelung von Interessen«, meinte Ben.
    »Bei meinem Geschichtsstudium habe ich irgendwann eine ungeheure Unzufriedenheit verspürt«, sagte Rory. »Es hätte nicht so sein müssen! All das Leid, das Blutvergießen – insbesondere wenn es von Religionen und von Friedensaposteln ausgelöst worden war. Ich habe mich gefragt, ob das alles sein musste – und mir sehnlichst gewünscht, es wäre nicht so gewesen.« Er warf Ben einen Blick zu. »Dann hat Ben von Gödel gesprochen, diesem exzentrischen Mathematikergenie, das mit Einsteins Gleichungen herumjongliert und sich vorgestellt hat, dank sogenannter

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