Dinner für eine Leiche
wetteiferten, wem der erste Biss gelingen würde.
Wie immer war Stella Broadbent mit so viel Goldschmuck behängt, dass er locker die Titanic hätte versenken können. Er glitzerte, er funkelte, und er war völlig übertrieben zu dem Outfit, das sie trug. Die Klunker waren der Grund für ihren Spitznamen. Brilli. Der saß.
Stellas Lippen lächelten, rot und marmorhart. »Alles in Ordnung mit Ihrem Chefkoch?«
|13| Sie meinte: Ich hoffe, ihn trifft auf der Stelle der Schlag.
»Ich glaube, die Hühnerbrüste wurden verwechselt. Ihr Chefkoch hat wohl aus Versehen unsere genommen«, antwortete Honey.
Der breite Mund erstarrte in gezwungenem Lächeln. »Wenn das stimmt, dann bin ich sicher, dass es ein echtes Versehen war. Doch ich bezweifle es. Wir benutzen nämlich nur Zutaten von allerhöchster Qualität.«
»Tiefkühlware?«
Stella war früh gekommen und hatte bereits den Weg zum Tisch mit den Getränken gefunden. Der Farbe ihrer Wangen nach zu urteilen, hatte sie dabei alle anderen um Längen geschlagen.
»Was sollen denn das für Anschuldigungen sein! Ich ahne es schon: Sie werden eine sehr schlechte Verliererin sein!« Ihr Gebaren war hochnäsig, ihr Ton streitlustig.
»Ich lasse Ihnen unsere Rechnung zukommen.«
Stella platzte heraus: »Sie … machen … was?«
Honey wartete ab, bis sie zu Ende gelacht hatte. Denn eine Pointe entfaltet nur dann ihre volle Wirkung, wenn der Zuhörer ihr volle Aufmerksamkeit schenkt.
»Es sei denn, der Preis für ein paar lumpige Hühnerbrüste übersteigt Ihre finanziellen Möglichkeiten?«
Stellas Mund blieb offen hängen. Die Flüssigkeit in ihrem Weinglas schwappte hin und her.
»Ich schicke Ihnen die Rechnung.« Mit diesen Worten machte Honey abrupt kehrt und ließ sie stehen.
Jetzt konnte sie selbst etwas zu Trinken gebrauchen. Sie war nicht feige, aber wenn sie Stella sah, stellten sich ihr die Nackenhaare auf. Deren in Gelb und Schwarz gehaltenes Hummel-Outfit machte ihr Lust, fest mit der Fliegenklatsche draufzuhauen. Und all das verdammte Gold. Wie konnte sie sich das bloß leisten?
Was noch schlimmer war: Das Beau Brummell Hotel war eines |14| der wenigen privat geführten Hotels in Bath, das einen eigenen Parkplatz hatte. Nichts konnte die Schönheit dieser kompakt gebauten Stadt trüben, deren höchste Blütezeit in den Tagen der Sänften und der von kastanienbraunen Pferden gezogenen Kutschen gewesen war. Doch heute waren die Zeiten bequemer Reisender angebrochen. Trotz dringender Aufforderungen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, verzichteten die Leute nicht gern auf ihre Autos. An einem Ort wie Bath war es eine Seltenheit, dass sie ihre fahrbaren Untersätze irgendwo parken und von dort gleich ins Stadtzentrum spazieren konnten. Honey sagte sich, dass sie keineswegs neidisch war. Trotzdem kochte sie vor Wut, während sie zum Tisch mit den Getränken ging.
Dort wurden flüssige Erfrischungen für beinahe jeden Geschmack angeboten. Die gesundheitsbewussten Teile des Publikums konnten an dem eisenhaltigen Wasser nippen, das aus einem georgianischen Brunnen gezapft worden war. Bereits die Kelten hatten diese heiße Quelle verehrt, die Römer hatten sich nackt darin getummelt, die Zeitgenossen König Georgs hatten ihre Bade- und Trinkkuren voll bekleidet gemacht, und die Touristen moderner Zeiten tranken aus kleinen Gläsern von dem Wasser. Manche schworen auf dessen gesundheitsfördernde Wirkung. Andere spuckten es angewidert aus und machten sich auf die Suche nach wohlschmeckenderen Alternativen.
Man konnte Wein offen oder als ganze Flasche erwerben. Die Flaschen fanden reißenden Absatz. Honey beschränkte sich auf einen Schoppen. Es würde ein langer Tag werden. Am Abend würden rings um den Abbey Square Stände aufgestellt. Dort würden der Öffentlichkeit Kostproben gereicht werden, die die Chefköche der Top-Hotels der Stadt zubereitet hatten. Die Einnahmen sollten einem wohltätigen Zweck zugeführt werden.
Honey hatte sich vorgenommen, einen klaren Kopf zu behalten. Wenn Smudger diesen Wettbewerb gewann, würde er |15| sich betrinken wollen. Wenn er verlor, dann auch. Sie war hier, um seine Energie auf die Veranstaltung im Freien zu konzentrieren und um ihn davon zu überzeugen, dass letzten Endes doch die gute Sache gewinnen würde – zumindest wenn er im Wettbewerb nicht siegen sollte. In jedem Fall würde es mit ihm unerträglich sein. Dieser Gedanke schoss ihr durch den Kopf, als sie die Hand nach einem zweiten Glas Wein
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