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Diplomat Im Abseits

Titel: Diplomat Im Abseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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und Obstbäumen Platz gefunden hatte. Linker Hand fiel die Höhe steil zum Rhein hin ab. Mächtig ragte auf der anderen Seite das Siebengebirge aus dem Flußtal auf. Die Sicht nach Bad Honnef wurde nur selten durch Buschwerk und Bäume gestört.
    Lupus spielte mit Begeisterung den Cicerone. »Hoher Chef, wir sind am Heinrichsblick, an der historischen Richtstätte auf dem Rodderberg. Bei einer solchen Aussicht in das Rheintal muß es eine wahre Freude gewesen sein, hier auf der Höhe einen Kopf kürzer gemacht zu werden. – Und vom Galgen erst, welch ein Rundblick!«
    »Ein Gemütsmensch warst du immer schon«, sagte Freiberg und schaltete in den zweiten Gang zurück, um die zahlreichen promenierenden Damen nicht zu gefährden, die die seltensten Hunde an langer Leine spazierenführten. Ein Schäferhund wirkte dazwischen wie ein Barbar in kultivierter Häuslichkeit. Das Tier hatte ersichtlich Mühe, den vielen Duftmarken der kleinen Pisser eins drauf zu geben.
    »Ich muß gestehen«, sagte der Kommissar kleinlaut, »daß ich seit meiner Studentenzeit nicht mehr hier oben gewesen bin.«
    »Jetzt überschreiten wir die Landesgrenze von Rheinland-Pfalz«, stellte Lupus fest, »in fremdes Territorium, sozusagen.«
    »Ei, verdammt, da sind wir aus Nordrhein ja nicht mehr zuständig.«
    »Wo das 1. K. auf frischer Tat agiert«, tat Kriminalhauptmeister Müller, genannt Lupus, selbstgefällig kund, »da gibt es keine Grenzen.«
    Freiberg fuhr im Schrittempo, als ein wohl fünfundzwanzig Meter hoher Turm auftauchte, über dessen Zinnen zwei Fahnen im Wind flatterten.
    Privatbesitz, kein Zutritt – wie konnte es anders sein.
    »Der alte Turm ist sehr aufwendig restauriert; Romantik aus dem Revolutionsjahr 1848«, erläuterte Freiberg.
    »Ich dachte immer, der Turm gehört zur Ruine Rolandseck«, wunderte sich Lupus.
    In Freiberg war der Historiker erwacht. »Nein, damit hat sich ein Kölner Zuckerfabrikant einen Traum erfüllt. Er wollte ganz hoch hinaus, höher als der Rolandsbogen. Später waren dann die Wandervögel hier, im tausendjährigen Reich Flak-Soldaten. Vor einigen Jahren hat ein gut betuchter, adeliger Kunststudent zugegriffen. – Das kommt alles nur davon, wenn ein Mann wie Goethe als Trendsetter eine Turmgesellschaft gründet.«
    Auf geschwungenem Weg ging es steil bergab zum Parkplatz. Zum Trost für Kurzatmige wies ein Schild darauf hin, daß man bis zum Rolandsbogen nur noch hundert Meter zu gehen hatte.
    Auf der Terrasse brodelten Stimmen. Die Bedienung jonglierte geschickt mit randvollen Tabletts. An der Südostecke wurde ein Tisch frei. Lupus, der als erster die Gelegenheit erspäht hatte, dirigierte seinen Chef dorthin. Aufatmend nahmen sie Platz. Der nicht mehr ganz junge Kellner räumte das benutzte Geschirr ab.
    Freiberg bestellte: »Zwei Schoppen Weißen, aber nur aus dem Siebengebirge, bitte – dazu heiße Waffeln.«
    Lupus nickte bestätigend und stützte die Unterarme breit auf den Tisch. »Hier möchte ich alt werden.«
    Wie ein Portal für Riesen ragte der efeubewachsene Torbogen in den Himmel. Ritter Roland, Paladin Kaiser Karls des Großen, hätte gewiß seine Freude daran gehabt, mit den sahneschleckenden Damen aus aller Welt über den Rhein zu blicken und sie in seiner Kemenate mit der ritterlichen Minne vertraut zu machen.
    Doch die beiden Besucher hatten nicht viel Zeit, die Landschaft zu bewundern. Als der Kellner den Wein und die Waffeln servierte, legte Freiberg seinen Dienstausweis auf den Tisch. »Wir brauchen ein paar Auskünfte.«
    Der Angesprochene schien gar nicht böse über die Unterbrechung seines Jobs zu sein. »Ich komme gleich zu Ihnen – muß nur noch die Kollegin bitten, meine Tische zu übernehmen.«
    Als er zurückkam, bot Freiberg ihm einen Stuhl an.
    »Danke nein, das geht wohl nicht. – Aber ich höre.« Damit beugte er sich vor, als gelte es, eine Bestellung entgegenzunehmen.
    »Ist Ihnen in den letzten Tagen oder Wochen eine Besucherin aufgefallen, die aus Südostasien stammen könnte?« fragte der Kommissar.
    Der Kellner lächelte kurz. »Wissen Sie, hier kommen während der Saison so viele Exoten her… Aber mir ist tatsächlich eine Thailänderin aufgefallen, die einige Male hier gesessen hat – immer am selben Tisch – und sich gar nicht satt sehen konnte an der Rheinlandschaft. Ja, die war häufiger hier; sie wirkte traurig und ein bißchen verloren. Sie hat mal erwähnt, daß sie aus Thailand stammt und hier verheiratet ist. Man muß wohl schon sehr

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