Dirigent
Arturo Toscanini aufgeführt wurde. In den Vereinigten Staaten wurde die Sinfonie des auch dort populären Komponisten als Symbol des Zusammenhalts Russlands und Amerikas im Kampf gegen den Nationalsozialismus gefeiert, und die Time brachte einen Tag nach der New Yorker Premiere eine Ausgabe heraus, auf deren Titel Schostakowitsch mit einem goldenen Feuerwehrhelm abgebildet war.
Auch in Leningrad wurde eine Aufführung der Sinfonie beschlossen, um den Kampfgeist der hungernden und von Bombenangriffen terrorisierten Bevölkerung zu stärken. Dafür musste die Partitur des Werks mit dem Flugzeug in die belagerte Stadt gebracht werden, was nicht ungefährlich war. Geprobt wurde die Sinfonie in Leningrad vom Rundfunkorchester, dessen Mitglieder im Gegensatzzu den Philharmonikern nicht evakuiert worden waren. Allerdings erschienen zur ersten Probe nur fünfzehn der ursprünglich hundert Orchestermitglieder, und auch diese waren vor Schwäche kaum in der Lage zu spielen. Der Dirigent Karl Eliasberg, der befürchtete, dass die Aufführung eines solch anspruchsvollen und umfangreichen Werkes unmöglich sein würde, bat daraufhin die Obrigkeit der Stadt um Unterstützung durch Militärmusiker und um Sonderrationen für die ausgehungerten Orchestermitglieder. Das Konzert war auch als Propagandaaktion geplant, die den deutschen Angreifern den ungebrochenen Widerstandsgeist der Leningrader vor Augen führen und darüber hinaus auf ein breites internationales Echo stoßen sollte. Um sicherzugehen, dass die am 9. August 1942 geplante Aufführung nicht durch feindliche Angriffe gestört wurde, erfolgte in der Nacht vor dem Konzert ein ausgiebiger Beschuss der deutschen Truppen, die die Musik daraufhin über große, auf sie gerichtete Lautsprecher ebenfalls vernehmen sollten. Obwohl das völlig erschöpfte Orchester erst bei der Generalprobe in der Lage gewesen war, die Sinfonie in ihrer vollen Länge zu spielen, wurde die Leningrader Erstaufführung ein voller Erfolg und schien den Musikern selbst sowie den Bewohnern der Stadt tatsächlich neuen Mut zu verleihen. Der für die Leitung dieser historischen Aufführung gefeierte Dirigent Eliasberg geriet nach dem Krieg jedoch rasch in Vergessenheit und starb 1978 einsam und verarmt.
3. Die Belagerung Leningrads
Während des Zweiten Weltkriegs wurde Leningrad (das heutige Sankt Petersburg) vom 8. September 1941 an von deutschen und den mit ihnen verbündeten finnischen Truppen komplett umstellt. Die Eroberung der Stadt schien unmittelbar bevorzustehen, doch stattdessen wiesHitler seine Truppen an, die Stadt zu belagern mit dem Ziel, ihre Bevölkerung systematisch verhungern zu lassen. Leningrad, die zweitgrößte Stadt der Sowjetunion, in der zu jener Zeit etwa dreieinhalb Millionen Menschen lebten, war von nun an für fast neunhundert Tage von allen Landverbindungen abgeschnitten und wurde gleichzeitig immer wieder aus der Luft und von der deutschen Artillerie vor der Stadt bombardiert. Die einzige Verbindung nach außen war der Ladogasee, über den (im Sommer mit Schiffen, im Winter über das Eis) Einwohner evakuiert und Vorräte in die Stadt hineingebracht werden konnten. Die Versorgung mit Lebensmitteln reichte jedoch vor allem im ersten Winter der Belagerung bei weitem nicht aus. In diesem Winter 1941/42, der mit Temperaturen von bis zu minus vierzig Grad einer der kältesten des zwanzigsten Jahrhunderts war, fehlte der Bevölkerung sowohl Nahrung als auch Brennmaterial. Die Lebensmittelrationen wurden immer weiter gekürzt, und das Brot bestand häufig zu großen Teilen aus Zellulose und Sägemehl. Viele Menschen überlebten diesen Winter nicht, sie brachen oft vor Erschöpfung mitten auf der Straße zusammen. Insgesamt starben während der Zeit der Belagerung etwa eine Million Menschen in der Stadt. Im darauffolgenden Winter hatte sich die Versorgungslage zwar gebessert, da es den sowjetischen Truppen gelungen war, dafür einen Korridor an Land frei zu kämpfen. Es sollte jedoch noch ein Jahr dauern, bis die Stellungen der deutschen Belagerer endgültig zusammenbrachen und die Blockade Leningrads am 27. Januar 1944 beendet war.
4. Interview mit Sarah Quigley
Wie kommt eine neuseeländische Schriftstellerin, die in Berlin lebt, dazu, die Geschichte eines Komponisten und eines Dirigenten aus Russland zu erzählen?
Ich habe mich schon immer für Schostakowitschs Musik interessiert, die so kompliziert und wunderschön zugleich sein kann. Irgendwann habe ich dann begonnen, mir
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