Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC
entsprach. Ein alter Schulkamerad von mir, Wade Dix, stand dieser Gang recht nahe, ebenso sein Bruder Lee. Ihr Vater war in der Painters And Dockers Union organisiert, der Gewerkschaft der Maler und Hafenarbeiter, die damals die Kais von Melbourne regierte. In den Pubs von Prahran tauchten öfter mal Dinge auf, die irgendwie mal „beim Verladen runtergefallen“ waren, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Dix Senior bis zu den blutunterlaufenen Augen in diesen krummen Sachen steckte.
Wade wuchs vor allem meiner Mutter über die Jahre richtig ans Herz; sie hätte ihn bestimmt adoptiert, wenn er zu haben gewesen wäre. Er war ein schmächtiger Junge mit olivfarbener Haut, so wie ich. Und er hatte es nicht leicht, wie sich jederzeit an den vielen blauen Flecken, Schnitten, Beulen und Kratzern ablesen ließ, die seine Haut zierten. Angesichts der Umstände, unter denen er aufwuchs, war es ein Wunder, dass er ein so sonniges Gemüt entwickelte, aber gerade deswegen konnte meine Mutter ihn so gut leiden. In kürzester Zeit stieg sie bei ihm von „Mrs. E.“ zu „Mum“ auf, und das wollte bei Wade eine Menge heißen. Er besorgte sich später ein paar bezahlte freie Wochen auf der Arbeit, indem er einen Finger in eine Metallpresse steckte. Ruckzuck säbelte ihm die schwere Presse ein ordentliches Stück seines Fingers ab, und er konnte die nächsten vier Wochen bei vollem Lohn zu Hause bleiben. Wades Bruder rechnete schnell aus, dass er sich auf diese Weise noch einmal neun freie Monate würde erschleichen können, wenn er sich einen Finger nach dem anderen vornahm.
Silvester 1969 ging ich mit all meinen Freunden ins That’s Life zu einer Nachmittagsshow, die vom Radiosender 3XY gesponsert wurde. 3XY spielte vor allem die Top-40-Songs der damaligen Zeit, also die Beatles, die Stones, die Kinks, die Beach Boys, die Monkees, die Easybeats oder andere Hitgaranten, außerdem die typischen Eintagsfliegen, die anderweitig Berühmt-Berüchtigten und leider auch ziemlich viel Bubblegum Music, wie man die besonders naiven, klebrig-süßen Pop-Hits nannte, die von „Bands“ wie den Archies oder der 1910 Fruitgum Company produziert wurden.
Zu den Bands, die bei dieser Silvester-Show auftraten, zählte unter anderem die Gruppe Compulsion. Ein Maori namens Reno, der schwer auf Jimi Hendrix machte, spielte bei ihnen Gitarre, und ihr Manager war Michael Browning, dem mit dem Sebastians und dem Berties zwei große Rock-Clubs in Melbourne gehörten. Außerdem spielten noch die Valentines aus Perth. Sie hatten damals einen kleinen Hit mit „My Old Man’s A Groovy Old Man“, das aus der Feder von George Young und Harry Vanda stammte. Young und Vanda waren das Songwriter-Team hinter den legendären Easybeats und echter australischer Rock-Adel, auch wenn sie eigentlich aus Schottland beziehungsweise Holland stammten.
Die Valentines waren Teenybopper wie später die Bay City Rollers. Sie trugen eine Uniform aus enganliegenden Schlaghosen, Plateauschuhen und Hippie-Hemden mit durchsichtigen Chiffonärmeln, alles in knalligem Orange. Eigentlich waren sie eine ganz gute Band mit ihren beiden Leadsängern, aber für meinen Geschmack ein wenig zu poppig. (Die Hendrix-Cover von Compulsion waren eher mein Geschmack.) Und es war nicht ganz einfach, sich diese grauenhaften orangefarbenen Outfits wegzudenken. Bei den Mädchen kamen sie allerdings ziemlich gut an, und sie hatten sogar ihren eigenen Fan-Club – lauter junge Frauen, die sich die Lunge aus dem Hals kreischten und Schilder hochhielten, auf denen Sprüche standen wie BE MY VALENTINE IN ’69.
Die Valentines legten als erstes mit ein paar Motown-Songs los und spielten schon mit ordentlich viel Druck, das musste man ihnen lassen. Die meisten Titel sang ein Typ namens Vince Lovegrove, aber der andere Sänger fiel mir weitaus mehr auf. Ganz offensichtlich hatte er schon ein bisschen was getankt, aber noch deutlich Lust auf mehr. Ich saß vor den Lautsprechern am Rand der Bühne und sah ihn öfters während der Soli und nach den Songs nach hinten gehen, um sich eine Flasche Johnnie Walker an den Hals zu setzen. Dann ging er wieder auf die Bühne und brüllte ins Mikrofon. Selbst in dem scheußlichen Orange versprühte er eine gewisse Coolness und Stil. Im Laufe des Konzerts fing er ziemlich an zu schwitzen, und irgendwann sah ich etwas Seltsames unter den Chiffon-Ärmeln. Allmählich zeichneten sich dunkle Tätowierungen ab – er hatte wohl versucht, sie mit Make-up abzudecken, aber
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