Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
Vom Netzwerk:
und dann willigte Tom in die Scheidung ein. Tom sagte sowieso immer zu allem Ja und Amen. Auch zu Mutschs Forderung, mit dem Trinken aufzuhören, hatte er immer Ja gesagt und weitergetrunken. Und dann, nach der Scheidung, verschwand sie auf Nimmerwiedersehen.
    Ich weiß noch genau, wie belämmert wir dasaßen an dem Abend, als Mutsch die Biege gemacht hatte.
    »Jetzt isse fort. Endgültig«, hatte Tom gelallt. Er hatte schon ganz schön einen sitzen. »Julian, deine Mutter kommt nicht wieder. Nie wieder. Dafür kenne ich sie viel zu gut.« Dann war er in Tränen ausgebrochen. »Weißte eigentlich, wie sehr ich Rachel liebe?«
    Ich hatte auch so etwas Ähnliches wie einen Kloß im Hals, aber mal ehrlich, irgendwie kriegst du eine Gänsehaut, wenn dein Vater plötzlich vor dir rumheult wie der allerletzte Schlosshund.
    »Willst’n Bier?«, hatte Tom gefragt und mir die Flasche schon unter die Nase gehalten.
    Wortlos hatte ich die Krone mit meinem Feuerzeug abgehebelt und mit Tom angestoßen. Da saßen wir dann in der halb leeren Bude und ich glaube, es war der tristeste Tag, an den ich mich bis dahin erinnern konnte. Irgendwann hatte mir Tom seine Pranke auf die Schulter gehauen.
    »Julian, jetzt haben wir nur noch uns.«
    Tom ist in Ordnung, echt. Er ist auch nicht aggro, wenn er betrunken ist, nur – irgendwie so breiig. Hockt rum und ist weinerlich und kriegt nix hin und tut sich selbst ganz furchtbar leid.
    Jetzt haben wir nur noch uns, hallte es in mir nach und ein Schauer lief mir über den Rücken. Zwei Totalbehinderte würde man doch auch nicht auf einer einsamen Insel völlig sich selbst überlassen. Aber das, genau das, hatte Mutsch getan.
    Das mit Mutsch war eine total gequirlte Scheiße, ehrlich. Ich hasste sie. Wie hatte sie uns das nur antun können? Echt, eine fiese Bitch. Na ja, aber andererseits – als sie noch da war, da war zu Hause noch nicht jeder Tag wie der andere. Da gab es noch nicht die ewig lastende Schwere, die aus jeder Ecke, jeder Diele in die Nervenbahnen unserer Hirne kroch. Da gab es noch andere Nahrung als dieses Dosenfutter von Aldi. Da gab es noch nicht diese Leerstellen zwischen den letzten paar Möbeln und die hellen Stellen an der Wand, wo einst Regale gestanden hatten, die nun Mutschs neue Wohnung bevölkerten, wo immer das auch war.
    Na ja, ich hätte es ja über Google oder so rausfinden oder ihr vor der Arbeit auflauern können, aber sie hatte gesagt: »Kommt bloß nicht auf die Idee, euch bei mir blicken zu lassen.«
    Und irgendwie hat man ja auch seinen Stolz.
    Ich war gerade ganz schön down. Mein Blick klebte sehnsüchtig an der Bong. If you’re down, then take some weed, ’cause it makes you downer , ging mir durch den Kopf und dass das ja die Hookline für ’nen neuen Song werden könnte. Ich war schon dabei, das Teil anzuwerfen, da fiel mir das Foto ein. Ich zerrte mein Handy aus der Hosentasche und starrte auf das Display. Mann, mein Aufritt vorhin war wahrscheinlich so richtig scheiße. Nach der Nummer würde die mich ja nicht mal mehr mit dem Arsch anschauen.
    Ich vertiefte mich weiter in das schöne Gesicht auf dem Display. Unglaublich. Diese Augen. Schlingpflanzengrün …
    Ich trieb dahin auf der Mitte eines riesigen Sees, dessen Ufer kaum zu sehen war, so weit weg war es. Ich seufzte und kraulte und kraulte, um zum Ufer zu gelangen. Doch ich kam überhaupt nicht vom Fleck. Irgendwas hielt mich fest und je mehr ich kraulte, desto fester wurde ich gehalten, bis ich mich schließlich überhaupt nicht mehr bewegen konnte, und dann wurde ich langsam, ganz langsam nach unten gezogen, und obwohl ich keine Taucherbrille aufhatte, konnte ich alles ganz genau erkennen. Von oben fiel goldgelbgrünes Licht auf die Wasseroberfläche und verströmte sich bis auf den Grund, und was mich festhielt, das waren riesige Schlingpflanzen, die seltsam lebendig wirkten, fast so, als hätten sie einen eigenen Willen, als wären es nicht Pflanzen, sondern Personen.
    Ich war ein Gefesselter, der langsam auf den Grund sank und eigentlich hätte ich in Panik ausbrechen und nach Luft schnappen müssen, aber eigenartigerweise konnte ich hier unten genauso gut atmen wie an der Oberfläche. Ich sank und sank und sank, und je mehr ich mich dem Grund näherte, desto grüner und schillernder wurde alles, und auf einmal war ich so was ähnliches wie ziemlich glücklich. Ein großes, breites Blatt legte sich über meine Augen und verknotete sich hinter meinem Kopf und irgendwas riss mir die

Weitere Kostenlose Bücher