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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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haben.»
    «Ich habe nie auch nur ein einziges Heftpflaster irrtümlich entfernt.» Sir Lancelot stopfte das gefaltete dicke Blatt Papier achtlos in seine Rocktasche. «Dieses verdammte Geld», klagte er, mit Amelia weitereilend. «Die Menschen denken an nichts anderes. Bei dieser gesetzlich geschützten Erpressung kommt nichts heraus, aber sie versuchend trotzdem. Der kleinste Irrtum in der Diagnose eines überarbeiteten Arztes, und sie bringen ihre Forderungen ein wie beim Fußballtoto. Ein zusammengeschusterter Bauch ergibt eine Weltreise. Die Abnahme eines falschen Beines genügt, damit der Patient sich sein Leben lang auf die faule Haut legen kann. Keine Nächstenliebe mehr, keine Dankbarkeit. Gott weiß, warum ich überhaupt noch weiterpraktiziere», fuhr er mit wachsender Erbitterung fort. «Mein Vater erhielt an jedem Krankenbett ein sauberes, frisch gestärktes Handtuch und ein Stück Lavendelseife und zu Weihnachten Truthähne und schottischen Whisky. Die Chirurgen, die mich unterwiesen, kamen mit einem Kometenschweif von Assistenten und Schwestern in die Station, und es lauerten ihnen im Korridor ebensowenig verstimmte Patienten auf wie florentinische Bürger Lorenzo dem Prächtigen, um ihn nach der Uhrzeit zu fragen. Nun steh ich fast auf dem gleichen Niveau wie die Patienten, bin ihren Beleidigungen ausgesetzt, und statt daß die Patienten verdammt froh sind, daß ich mir Zeit und Mühe nehme zu studieren, wie ich ihre Wehwehchen heile — oh, schon neun Uhr dreißig?» fügte er hinzu, als das Licht ausging.
    «Geht das Licht immer um neun Uhr dreißig am Morgen aus? Jeden Tag, jahraus, jahrein?»
    «Die Kraftstromversorgung wendet um diese Zeit ihre Tätigkeit der Industrie zu.»
    «Sieht mir aber mehr nach Untätigkeit aus.»
    «Stimmt. Wenn die Leute hierzulande ein Wort verwenden, bedeutet es nur das, was es ihrer Meinung nach bedeuten soll. Dieses Prinzip wurde bereits von einem scharfsinnigen Engländer, Reverend Lutwidge Dodgson, entdeckt.»
    «Einem Erzbischof von Canterbury?»
    «Einem noch viel bedeutenderen Mann. Er schrieb . Das Notaggregat wird in Kürze eingeschaltet werden.» Sie erreichten das Ende des düsteren Korridors. «Hier muß ich Sie verlassen. Wir sind beim OP angelangt.»
    «Aber ich möchte mitkommen», bat sie eindringlich.
    «Ich muß zu meinem Bedauern erklären, daß unqualifizierte Personen meiner Meinung nach in Operationsräumen ebensowenig zu suchen haben wie Kinder bei einer Dinnerparty. Überdies könnten Sie beim Anblick von Blut in Ohnmacht fallen.»
    -

    Dieses verdammte Geld
    ...klagte Sir Lancelot. Es hat etwas Medizinisches an sich, das Geld: Auf manche wirkt es wie eine Arznei, auf andere wie eine Infektion.
    Es scheint, als hätte Geld eine Verwandtschaft zu den Bakterien: Beide sind unbedingt nötig zum Leben, können aber unter Umständen krank machen. Im Gegensatz zu den Bazillen schadet Geld aber nur, wenn es nicht vorhanden ist.
    «Genausowenig wie Dracula. Ich habe mich in fast allen OPs der Welt herumgetrieben.»
    «Ich verbiete es.»
    «Na schön. Ich komme langsam zu der Einsicht, daß diese Ihre Krankenträger und Patienten nicht so unrecht haben.»
    «Na, wie Sie wollen», sagte er ungeduldig. «Ich habe zu arbeiten. Schwester! Statten Sie diese Besucherin aus. Ich beginne mich jetzt zu waschen.»
    Er kleidete sich um, legte Operationskittel und -hose sowie Gummistiefel an, setzte Kappe und Maske auf. Er ging zum Wasserbecken, um mit dem Schrubben zu beginnen. Kein Wasser floß aus den Hähnen.
    Die Lunte von Sir Lancelots Mißlaune, die seit dem Zusammentreffen mit der Verkehrspolizistin gloste, begann zu zünden. Er bearbeitete die langen, glänzenden, trockenen Hähne mit den Fäusten. Er bedachte den Gesundheitsminister mit einer Reihe komplizierter anatomischer Flüche.
    «Was ist los, Sir Lancelot?» fragte die bereits umgekleidete Operationsschwester, die auf der Türschwelle erschien.
    «Ich emigriere. Nach Arabien. Dort werde ich mit meinen Instrumenten, auf einem Kamel reisend, die Leute aufschlitzen. Inmitten der verdammten Wüste», brüllte er sie an , «werde ich mich zumindest nicht der lächerlichen Erwartung hingeben, mit Wasser versorgt zu werden.»
    «Wenn Sie sich noch nicht gewaschen haben», tröstete sie ihn, «könnten Sie Mr. Bisham interurban anrufen.»
    «Ich will niemanden irgendwo interurban anrufen —» Sir Lancelot griff plötzlich nach dem Wandtelefon. «Bisham?»
    «Hallo, Sir? Hier Bisham in

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