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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Llanfihangel-yng-ngwynfa, Wales.»
    «Das hört man. Vor zwei Jahren arbeiteten Sie noch in diesem heruntergekommenen Pesthaus, nicht wahr? Wie brachten Sie das Wasser im Waschraum zum Fließen?»
    «Geben Sie der Leitung hinter dem Abfallbehälter für Verbandszeug einen Tritt, Sir.»
    «Danke.»
    «Und, Sir Lancelot - Sie wissen doch, daß ich verheiratet bin?»
    «Natürlich weiß ich das», fuhr ihn dieser an. «Ich kann mich noch an das bemerkenswerte Essen erinnern, zu dem ihr beide mich in eure Wohnung hinter der Post von Spratt’s Bottom eingeladen habt.»
    Schweigen. «Hallo? Sind Sie noch da?»
    «Ja, Sir. Sehen Sie, ich bin immer noch nur Turnusarzt, und meine Finanzen erfordern es, daß ich meinen Urlaub in zehn Tagen als Arztvertreter in einer einträglichen Ordination antrete —«
    «Stecken Sie eine Postkarte in -» Sir Lancelot hielt inne. Von Freddie Bisham hatte er eine hohe Meinung. Er war ein fähiger junger Chirurg und hatte zudem den unvergleichlichen Vorteil, von ihm, Sir Lancelot, persönlich ausgebildet worden zu sein. «Man wird sehen, was sich tun läßt», versprach er schroff. «Hinter dem Abfallbehälter? Auf Wiederhören.»
    Fertig gewaschen und umgekleidet, schritt Sir Lancelot auf den Tisch unterhalb der Operationslampe zu, einem hängenden Suppenteller von etwa einem Meter Durchmesser. Ein geübter Blick belehrte ihn, daß sein bewußtloser Leistenbruch-Patient korrekt vorbereitet und abgedeckt war, daß sein Assistent einen Kater hatte, die Operationsschwester unter ihren vormenstrualen Beschwerden und der Anästhesist unter Heimweh litt. Amelia, mit Kittel und Maske angetan, besah sich eingehend die sterilisierte Haut.
    «Wir haben schon genug katastrophale gegenseitige Infektionen hier im Haus, auch ohne daß Sie sich Ihre Nase in der Wunde abwischen», schnauzte er sie in seinem üblichen OP-Jargon an, der dem Tonfall eines jähzornigen Kapitäns an einem stürmischen Morgen entsprach.
    Amelias schmale Brauen verschwanden unter ihrer Kappe. «Ich nehme lebhaftes Interesse an der Chirurgie.»
    «Auch ich. Ich nehme aber auch die Verantwortung für alles, was hier schiefgeht, auf mich. Alles fertig, Ali?»
    «Inguinale oder femorale Hernie?» fragte Amelia ruhig.
    «Inguinal, wie man sieht.»
    «Direkt oder indirekt?»
    Er antwortete mit einem ätzenden Blick.
    «Ich habe eine Menge Chirurgie gelernt, als ich in Frauenzeitschriften darüber schrieb.»
    «Dann bitte ich zu verzeihen, daß ich meine Kenntnisse vom Königlichen Chirurgenkollegium bezogen habe.»
    «Sie haben übersehen, eine blutende Stelle zuzuklammern.»
    «Wollen Sie sich gefälligst in den Hintergrund zurückziehen, Weib?» bellte er sie an. «Schneiden Sie, Mensch, schneiden Sie», fuhr er, zu seinem Assistenten gewandt, fort. «Sie sind heute vormittag genausoviel wert wie ein Suspensorium in einem Nonnenkloster. Tupfer, Schwester, Tupf erb
    «Wo ist die hingeraten?» fragte Amelia.
    «Die ist auf einer Folterbank schwer aufrechtzuerhalten.»
    Über ihren Köpfen ertönte ein lauter Krach, und Verputz begann herunterzurieseln.
    «Dieser verdammte Volksgesundheitsdienst», stöhnte Sir Lancelot. «Verdammter Bevan. Verdammter Beveridge. Unter dem alten System sind einem zumindest nicht die verdammten Krankenhäuser auf den Schädel gefallen. Ein Tuch, Schwester! Wann hat man schon gehört, daß eine Operationswunde mit Mörtel von der Decke verunreinigt wurde?»
    Die Operationsschwester begann kläglich zu stammeln: «Ich hätte nie Krankenschwester werden sollen. So sehr hab ich die Pferde geliebt!» Der Assistent glotzte verstört zur Decke hinauf. Eine Schwester hüpfte mit einer Schale herum, in der sie Mörtelstücke einsammelte. «Du lieber Himmel», sagte der Anästhesist, «Sir Lancelot hat das Haus zum Einsturz gebracht.»
    «Achtung!» schrie Sir Lancelot. Mit einem lauten Knall löste sich die massive Operationslampe samt ihren elektrischen Eingeweiden aus der Verankerung im Dach und senkte sich langsam auf den Patienten herab.
    Sir Lancelot preßte einen Tupfer auf die blutende Operationswunde. «Fangen Sie sie auf», befahl er dem ängstlich hinaufblickenden Hilfsarzt.
    «Aber ich bin steril, Sir», wandte dieser restlos verwirrt ein.
    Amelia bekam die schwere Schale knapp über dem nackten Bauch des Patienten in den Griff.
    «Schwester», brüllte Sir Lancelot. «Helfen Sie der Dame bei der Lampe.»
    Das Licht ging aus.
    «Ali! Holen Sie die Not-Stablampe aus dem

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