Neulandexpedition (German Edition)
Kapitel 1
Bjorn
Die Landschaft flog an mir vorbei. Felder, Lärmschutzwände, Bäume, ab und zu ein Bauernhaus, Wald und wieder Felder, während Metallica aus den Boxen dröhnten. Alwins Musikwahl, nicht unbedingt meine. Aber er war heute der Fahrer, und derjenige, der fuhr, durfte auch die Mucke bestimmen, so war die Regel.
Ich hätte noch die Wahl gehabt, in dem anderen Wagen, der vor uns über die Autobahn bretterte, zu hocken. Doch da saß heute Larissa am Steuer und knapp zwei Stunden Katie Melua in der Endlosschleife hielt ich noch weniger aus.
Leider kam mein mp3-Player auch nicht gegen Alwins bevorzugte Lautstärke an. Also hieß es Zähne zusammenbeißen und hoffen, dass man ohne Gehörsturz das Ziel erreichte. Das Einzige, was diese Fahrt erträglich machte, war Johan neben mir.
Allzu lange kenne ich ihn noch nicht, wie es allerdings ohne ihn gewesen war, kann und will ich mir nicht mehr vorstellen. Vor knapp einem halben Jahr brachte Alwin ihn eines Tages einfach mit und führte ihn so in unsere Clique ein.
Mit den Anderen sechs war ich bereits in den Kindergarten gegangen. Danach in die Grundschule und mit Elias und Meike, die in Larissas Wagen saßen, später aufs Gymnasium, während Rony, Alwin, Sandra und Larissa sich auf die Real- und Gesamtschule verteilten. Es änderte nicht viel. Das Band, das uns verband, überstand auch das und wir verbrachten trotzdem weiterhin unsere Freizeit miteinander. Was nicht selbstverständlich ist, das ist mir klar. Die meisten anderen aus unserem Bekanntenkreis schlossen auf ihren jeweiligen Schulen neue Freundschaften und vergaßen die Alten zum Großteil. Was traurig aber verständlich ist.
Normalerweise nahmen wir niemanden so einfach in unsere Reihen auf. Bei Johan war es anders – wie so vieles.
Warum, kann ich nicht einmal mehr genau sagen. Unser Neuzuwachs fügte sich ein, als wäre er schon immer ein Mitglied der Truppe gewesen und vor allem ich verstand mich auf Anhieb mit ihm.
Die Anderen nannten uns auch gerne mal das perfekte Paar – natürlich mit einem Augenzwinkern und als Witz gemeint. Was auch sonst?
Irgendwie hatten sie damit aber sogar recht. Wir verstanden uns außergewöhnlich gut. So etwas war mir vorher noch nie passiert. Ich vertraute ihm blind, konnte mit ihm über alles reden – okay, fast alles. Es passierte uns sogar, dass wir manchmal den Satz des jeweils Anderen beendeten. Also eigentlich lauter so Sachen, die sehr gute Freunde eben machten.
Nur entwickelten sich meine Gefühle in der letzten Zeit leider in eine weniger freundschaftliche Richtung.
Mir fielen Dinge auf, die mir nicht aufzufallen hatten!
Wie weich seine Haut war, wenn ich sie beim Kabbeln streifte. Wobei es mir ab und an passierte, dass meine Hand kurz und hoffentlich unauffällig unter sein Hemd rutschte.
Zunächst waren mir diese Ausrutscher selbst auch gar nicht bewusst, doch mit der Zeit gestand ich sie mir ein. Sie steigerten sich nämlich.
Ich bekam einfach nicht genug davon und musste oft einfach etwas länger als es normal gewesen wäre, über seinen Bauch streicheln, seine Arme.
Als ich dann auch noch bemerkte, wie schön die Farbe seiner Augen war, war auch mir klar geworden, dass hier etwas gehörig schief lief. Aber dass sie sich je nach Stimmungslage veränderte, war interessant.
Ein dunkles Grau, wenn er sich aufregte oder wütend war. Ein Helles, sobald er sich freute oder lachte.
Ich liebte beides, fand es faszinierend, dass ich es schaffte, ein dunkelgrau in ein fast Silbernes zu verwandeln.
Er roch auch so verdammt gut. Zitrone, ich glaube es war Zitrone. Frisch und absolut süchtig machend.
Und ich hätte ihm stundenlang zuhören mögen. Seine Stimme brachte irgendetwas in mir zum Summen. Sie beruhigte mich.
Genau wie seine Nähe, die ich regelrecht suchte, und ich freute mich wie verrückt, wenn er die meine der Anderen vorzog. Was Johan tat, so ganz einseitig war diese Anziehungskraft also nicht.
Oder doch? Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Die Möglichkeit bestand. Immerhin war ich, was ihn betraf, nicht mehr ganz zurechnungsfähig.
Da ich ihn dementsprechend sehr genau beobachtete, fiel mir auch etwas anderes auf. Nämlich, dass ich nicht der Einzige war, dem es so ging.
Meike fand Johan ebenfalls höchst interessant. Verdenken konnte ich es ihr nicht, dennoch störte es mich und zwar gewaltig.
Johan selbst schien weder Meikes noch mein Interesse aufzufallen und ich war heilfroh darüber. Ginge es nach mir, würde
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