Doktor Faustus
Erscheinens noch nicht abgeschlossen. Nicht nur Theodor W. Adorno, Thomas Manns Ratgeber in musikalischen Fragen, sondern auch Arnold Schönberg, dessen »12 Ton-Technik« (Tb. 21.2.1948) als Erfindung Adrian Leverkühns Eingang in den Roman gefunden hatte, waren ungehalten darüber, dass ihre Urheberschaftsverdienste um den
Doktor Faustus
mit keinem Wort erwähnt wurden. Im Falle Adorno führte das zu einer Art literarischer Wiedergutmachung durch den Essay
Die Entstehung des Doktor Faustus
{740} (1949), im Falle Schönberg, der den Autor in einem offenen Brief unter dem Pseudonym »Hugo Triebsamen« scharf angegriffen hatte, entschloss sich Thomas Mann, nach Rücksprache vor allem mit Alma Mahler und Adorno, dem dritten Druck (D3), einer Lizenzausgabe, die gleichfalls noch 1948, aber diesmal im Suhrkamp Verlag erschien und ausdrücklich für die deutschen Leser bestimmt war, eine abschließende Anmerkung beizugeben. Diese Klarstellung versöhnte Schönberg, zunächst wenigstens, und stellt eine letzte Komplettierung des Romantextes dar:
Es scheint nicht überflüssig, den Leser zu verständigen, daß die im XXII. Kapitel dargestellte Kompositionsart, Zwölf Ton- oder Reihentechnik genannt, in Wahrheit das geistige Eigentum eines zeitgenössischen Komponisten und Theoretikers, Arnold
Schönbergs
, ist und von mir in bestimmtem ideellem Zusammenhang auf eine frei erfundene Musikerpersönlichkeit, den tragischen Helden meines Romans, übertragen wurde. Überhaupt sind die musiktheoretischen Teile meines Buches in manchen Einzelheiten der Schönbergschen Harmonielehre verpflichtet.
Aufgrund dieses komplizierten Befundes wurde der Wiener Druck (D2) unserer Ausgabe zugrundegelegt. Er repräsentiert die erste Edition des Originalverlegers, welche die vom Autor ausdrücklich gewollten Kürzungen des Erstdrucks realisiert, und ist deshalb diesem Erstdruck vorzuziehen, der abgesehen von später verworfenen Textpassagen auch noch zahlreiche Fehler enthält. Die Suhrkamp-Ausgabe D3 ist keine Alternative. Sie enthält zwar als erste die eben zitierte Schlussanmerkung, entfernt sich aber durch ihre weitergehenden Modernisierungen (vor allem auch bei der Zeichensetzung) sehr viel deutlicher von den Gepflogenheiten Thomas Manns als D2.
Freilich war auch der Umgang mit D2, diesem ›Leittext cum grano salis‹, schwierig. Es waren sämtliche Details der Errata- {741} Listen zu berücksichtigen. Zu bereinigen waren aber auch die von Thomas Mann im ersten Typoskript nicht bemerkten und weitergegebenen Abschreibefehler der Sekretärin Hilde Kahn, gelegentlich auch willkürliche Eingriffe von dritter Seite. Außerdem waren die Eigenmächtigkeiten der Schweizer Setzer bei der Herstellung von ED (in Winterthur gedruckt) rückgängig zu machen, die vom Autor öfter übersehen wurden und sich in den späteren Drucken, also auch in D2, erhalten haben.
Natürlich erfolgten diese Korrekturen nur, wenn eindeutige textkritische Indizien vorlagen, ebenso die textliche Wiederherstellung von bewusst verwendeten Archaismen des Autors, die in D2 modernisiert worden waren.
Durch den Vergleich aller Überlieferungszeugen bis hin zu D3 bot sich die Möglichkeit, Fehler, die längst sanktioniert waren, zu beheben und einen authentischeren Text des
Doktor Faustus
als die bis heute im Umlauf befindlichen herzustellen. {742} {743} {744}
Ruprecht Wimmer
Daten zu Leben und Werk
6 . Juni 1875
Paul Thomas Mann wird als zweites Kind von Thomas Johann Heinrich Mann und seiner Frau Julia, geb. da Silva-Bruhns, in Lübeck geboren. Geschwister: Luiz Heinrich ( 1871 ), Julia ( 1877 ), Carla ( 1881 ), Viktor ( 1890 )
1889
Eintritt in das ›Katharineum‹
1893
Herausgabe der Schülerzeitschrift
Der Frühlingssturm
Abgang vom Gymnasium aus der Obersekunda (heutige 11 . Klasse); Umzug nach München
1894
Volontariat bei der Süddeutschen Feuerversicherungsbank
Gefallen
, erste Novelle
1894 – 1895
Gasthörer an der Technischen Hochschule München: Kunstgeschichte, Literaturgeschichte, Nationalökonomie
1895 – 1898
Aufenthalte in Italien mit Heinrich Mann: Rom, Palestrina
1897
Arbeitsbeginn an den
Buddenbrooks
1898
Erster Novellenband:
Der kleine Herr Friedemann
, bei S. Fischer
1898 – 1899
Redakteur beim
Simplicissimus
(München)
1901
Buddenbrooks.
In zwei Bänden, bei S. Fischer
1903
Tristan.
Novellenband; enthält die Erzählung
Tonio Kröger
3 . Oktober 1904
Verlobung mit Katia
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