Doktor Faustus
bedungen war, daß ich kein menschlich Wesen lieben durfte, so bracht Er es um ohn' Erbarmen und bedient sich dazu meiner eigenen Augen. Denn ihr müßt wissen, daß, wenn eine Seele heftig zur Schlechtigkeit bewegt worden, so ist ihr Blick giftig und natterisch, am meisten für Kinder. So ging dieses Söhnchen voll süßer Sprüche mir im Augstmond dahin, ob ich gleich gedacht hatte, solche Zärtlichkeit sei mir erlaubt. Hatte wohl auch gedacht, schon zuvor, daß ich, als des Teufels Mönch, lieben dürfte in Fleisch und Blut, was nicht weiblich war, der aber um mein Du in grenzenloser Zutraulichkeit warb, bis ichs ihm gewährte. Darum mußt ich ihn töten und schickte ihn in den Tod nach Zwang und Weisung. Denn der magisterulus hatte gemerkt, daß ich mich ehelich zu verheiraten gedachte und war voller Wut, weil er im Ehestande den Abfall ersah von ihm und einen Schlich zur Versöhnung. Also zwang er mich, gerade dies Vorhaben zu brauchen, daß ich kalt den Zutraulichen mordete, und wills gebeichtet haben heut und hier vor euch allen, daß ich vor euch sitze auch noch als ein Mörder.«
Eine weitere Gruppe von Gästen verließ an dieser Stelle den {726} Raum, nämlich: der kleine Helmut Institoris, der sich, in stillem Protest, bleich und die Unterlippe an die Zähne gezogen, erhob, und seine Freunde, der Glattmaler Nottebohm nebst seiner sehr bürgerlich geprägten, hochbusigen Frau, die wir »die mütterliche Brust« zu nennen pflegten. Diese also entfernten sich stillschweigend. Sie hatten aber wohl draußen nicht geschwiegen, denn wenige Augenblicke nach ihrem Abgang trat leise Frau Schweigestill ein, in der Schürze, im straffen grauen Scheitel, und blieb mit gefalteten Händen in der Nähe der Türe stehen. Sie hörte zu, wie Adrian sagte:
»Aber welch ein Sünder ich war, ihr Freunde, ein Mörder, den Menschen feind, der Teufelsbuhlschaft ergeben, so hab ich dem ungeachtet mich immerfort emsig befleißigt als ein Werker und nie geruget« (wieder einmal schien er sich zu besinnen und verbesserte das Wort in »geruht«, blieb aber dann bei »geruget«) »noch geschlafen, sondern mirs sauer werden lassen und Schweres vor mich gebracht, nach dem Wort des Apostels: ›Wer schwere Dinge sucht, dem wird es schwer.‹ Denn wie Gott nicht Großes tut durch uns ohn' unser Salben, so auch der Andre nicht. Nur die Scham und den Spott des Geistes, und was in der Zeit dem Werke zuwider, das hat er von mir beiseite gehalten, das Übrige mußte ich selber tun, wenn auch nach seltsamen Eingießungen. Denn oft erhob sich bei mir ein lieblich Instrument von einer Orgel oder Positiv, dann die Harfe, Lauten, Geigen, Posaunen, Schwegel, Krummhörner und Zwergpfeifen, ein jegliches mit vier Stimmen, daß ich hätte glauben mögen, im Himmel zu sein, wenn ichs nicht anders gewußt hätte. Davon schrieb ich viel auf. Oft auch waren gewisse Kinder bei mir im Zimmer, Buben und Mädchen, die mir von Notenblättern eine Motette sangen, lächelten sonderlich verschmitzt dabei und tauschten Blicke. Es waren gar hübsche Kinder. Zuweilen hob sich ihr Haar wie von heißer Luft, und sie glätteten es wieder mit ihren hübschen Händen, die hatten {727} Grübchen und waren Rubinsteinchen daran. Aus ihren Nasenlöchern ringelten sich manchmal gelbe Würmchen, liefen zur Brust hinab und verschwanden –«
Diese Worte waren nun abermals das Zeichen für einige Zuhörer, den Saal zu räumen: es waren die Gelehrten Unruhe, Vogler und Holzschuher, von denen ich den einen beim Hinausgehen beide Handwurzeln an die Schläfen pressen sah. Sixtus Kridwiß jedoch, bei dem sie disputierten, blieb mit sehr angeregter Miene an seinem Platze, wie ja nach den Abgängen immer noch einige zwanzig blieben, wenn auch vielfach schon stehend und anscheinend zur Flucht bereit. Leo Zink hielt boshaft erwartungsvoll die Brauen emporgezogen und sagte »Jessas, na!«, wie er zu tun pflegte, wenn er eines anderen Bild beurteilen sollte. Um Leverkühn hatten sich, gleichsam schützend, einige Frauen geschart: Kunigunde Rosenstiel, Meta Nackedey und Jeanette Scheurl, diese drei. Else Schweigestill blieb in der Entfernung.
Und wir hörten:
»So hat der Böse seinen Worten Kraft geben in Treuen durch vier und zwanzig Jahr, und ist alles fertig bis aufs Letzt, unter Mord und Unzucht hab ichs vollendet, und vielleicht kann gut sein aus Gnade, was in Schlechtigkeit geschaffen wurde, ich weiß es nicht. Vielleicht auch siehet Gott an, daß ich das Schwere gesucht und mirs
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