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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Gasolin übergießen und anzünden lassen, damit rein nichts von ihnen übrig bleibe, – es wäre, sage ich, jetzt an die Publikation meines dienenden Werkes wohl zu denken. Aber Deutschland ist, nach dem Willen jener Bösewichte, so bis in den Grund zerstört, daß man nicht zu hoffen wagt, es möchte zu irgendwelcher kulturellen Aktivität, zur Herstellung eines Buches auch nur, so bald wieder fähig sein, und tatsächlich habe ich dann und wann schon auf Mittel und Wege gesonnen, diese Blätter nach Amerika gelangen zu lassen, damit sie vorerst einmal der dortigen Menschheit in englischer Übersetzung vorgelegt werden. Mir ist, als ob dies dem Sinn meines verewigten Freundes nicht geradezu entgegen wäre. Freilich gesellt sich zu dem Gedanken an das sachliche Befremden, das mein Buch in jener Gesittungssphäre erregen müßte, die sorgende Voraussicht, daß seine Übersetzung ins Englische sich, wenigstens in gewissen, allzu wurzelhaft deutschen Partien, als ein Ding der Unmöglichkeit erweisen würde.
    Was ich ferner voraussehe, ist das Gefühl einer gewissen Leere, das mein Teil sein wird, wenn ich nun mit wenigen Worten von dem Lebensausgang des großen Komponisten werde Rechenschaft abgelegt und den Schlußstrich unter mein Manuskript gezogen haben werde. Die Arbeit daran, aufwühlend und zehrend, wie sie war, wird mir fehlen, als laufende Pflichterfüllung hat sie mir beschäftigend über Jahre hinweggeholfen, die in barer Muße weit schwerer noch zu ertragen gewesen wären, und, vergebens vorderhand, sehe ich mich nach einer Tätigkeit um, die sie in Zukunft ersetzen könnte. Es ist wahr: die Gründe, aus denen ich vor elf Jahren aus meinem Lehramt schied, fallen unter den Donnern der Geschichte dahin. Deutschland ist frei, sofern man ein vernichtetes und ent {731} mündigtes Land frei nennen kann, und es mag sein, daß meiner Rückkehr in den Schuldienst bald nichts mehr im Wege stehen wird. Monsignore Hinterpförtner hat mich schon gelegentlich darauf hingewiesen. Werde ich wieder einer humanistischen Prima den Kultur-Gedanken ans Herz legen, in welchem Ehrfurcht vor den Gottheiten der Tiefe mit dem sittlichen Kult olympischer Vernunft und Klarheit zu
einer
Frömmigkeit verschmilzt? Aber ach, ich fürchte, in dieser wilden Dekade ist ein Geschlecht herangewachsen, das meine Sprache so wenig versteht, wie ich die seine, ich fürchte, die Jugend meines Landes ist mir zu fremd geworden, als daß ich ihr Lehrer noch sein könnte, – und mehr: Deutschland selbst, das unselige, ist mir fremd, wildfremd geworden, eben dadurch, daß ich mich, eines grausigen Endes gewiß, von seinen Sünden zurückhielt, mich davor in Einsamkeit barg. Muß ich mich nicht fragen, ob ich recht daran getan habe? Und wiederum: habe ich's eigentlich getan? Ich habe einem schmerzlich bedeutenden Menschen angehangen bis in den Tod und sein Leben geschildert, das nie aufhörte, mir liebende Angst zu machen. Mir ist, als käme diese Treue wohl auf dafür, daß ich mit Entsetzen die Schuld meines Landes floh.
    ***
    Pietät verbietet mir, auf den Zustand einzugehen, in welchem Adrian damals aus der zwölfstündigen Bewußtlosigkeit zu sich kam, worein der paralytische Choc am Klavier ihn versenkt hatte. Nicht zu sich kam er, sondern fand sich wieder als ein fremdes Selbst, das nur noch die ausgebrannte Hülle seiner Persönlichkeit war und mit dem, der Adrian Leverkühn geheißen, im Grunde nichts mehr zu tun hatte. Meint doch das Wort »Demenz« ursprünglich nichts anderes, als diese Abweichung vom eigenen Ich, die Selbstentfremdung.
    Ich sage so viel, daß seines Bleibens in Pfeiffering nicht war. Rüdiger Schildknapp und ich übernahmen die schwere Pflicht, {732} den Kranken, von Dr. Kürbis mit kalmierenden Drogen für die Reise Zubereiteten, nach München in die geschlossene Nervenheilanstalt des Dr. von Hösslin in Nymphenburg zu bringen, wo Adrian drei Monate verbrachte. Die Prognose des erfahrenen Fachmannes hatte sogleich ohne Rückhalt dahin gelautet, daß es sich um eine geistige Erkrankung handle, die nur progredieren könne. Sie werde aber gerade im Fortschreiten die lautesten Symptome wohl bald ablegen und durch sachgemäße Behandlung in stillere, wenn auch nicht hoffnungsvollere Phasen zu überführen sein. Eben diese Auskunft war es, die Schildknapp und mich nach einigem Ratschlagen bestimmte, von der Benachrichtigung der Mutter, Elsbeth Leverkühns auf Hof Buchel, noch etwas abzusehen. Es war ja gewiß, daß sie auf

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