Doktor Proktor im Goldrausch
sagte Doktor Proktor. »Und wo ist der Rest des Goldes geblieben?«
Tor zuckte mit den Schultern. »Süßigkeiten.«
»Das Gold wurde für Süßigkeiten ausgegeben?«, fragte Bulle.
»Nein, für Zahnfüllungen«, sagte Tor. »Nach dem Krieg begannen die Norweger, so viel Süßigkeiten zu essen, dass die Zahnärzte irgendwann in den Siebzigern kein Gold mehr hatten. Ihr erinnert euch vielleicht an das große Zahnschmerzjahr 1972?«
Die anderen schüttelten den Kopf. Nur der König nickte und hielt sich den Kiefer.
»Das waren üble Zeiten«, sagte Tor. »Vom Nordkap bis zur Südspitze des Landes hörte man nur Jammern und Stöhnen. Das Parlament war damals gezwungen gewesen, etwas zu tun, und hat die Goldvorräte für die Zahnpflege freigegeben. Seit damals nagen die Zahnärzte an den Goldvorräten der Norwegischen Nationalbank. Bis irgendwann…«
»Das ganze Gold befindet sich in den Mündern Süßigkeiten essender Norweger, die sich nie die Zähne putzen?«, fragte Lise und verschränkte ihre Arme streng vor ihrer Brust. »Das geht doch nicht!«
»Doch«, sagte Bulle, schob sich beide Zeigefinger in die Mundwinkel und riss den Mund sperrangelweit auf: »…uck nal ier…!«
Ganz richtig; in seinem Mund glänzte es golden.
»Aber wenn Sie wissen, dass es die Crunch-Brüder waren, warum sind die dann nicht längst festgenommen worden?«, fragte Proktor.
»Dafür gibt es mehrere Gründe«, sagte Bankchef Tor. »Zum einen haben wir außer den Flugdaten keine konkreten Beweise.«
»Aber die müssen das Gold doch irgendwo versteckt haben«, sagte Lise. »Hat schon jemand ihren Keller durchsucht oder die Garage…«
»Und den Dachboden!«, schrie Bulle. »Brasilianisches Gold auf dem Dachboden, wie cool.«
Der Bankchef schüttelte den Kopf. »Die Crunch-Brüder haben das Gold bestimmt längst an ihre Auftraggeber übergeben. Die Brüder können diese intelligenten Raubzüge unmöglich selbst geplant haben. Die Frage ist also, wer dahintersteht.«
»Kann die Polizei die Crunch-Brüder nicht verhaften und dann aus ihnen herausquetschen, für wen sie das Gold besorgt haben?«, fragte Lise.
Der Bankchef seufzte. »Wenn das so einfach wäre, Lise. Das sind ein paar echt harte Brocken, die plaudern nichts aus, wie sehr man sie auch unter Druck setzt oder foltert – was natürlich niemand tun würde, also…«
»Doch, doch!«, rief Bulle, während er auf und ab sprang. »Foltern! Nur ein bisschen!«
»Die Vereinten Nationen haben leider entschieden, dass auch ein bisschen foltern verboten ist«, seufzte der König und zog an seiner straffen Schärpe. »Die einzige Chance, das Gold zu finden, besteht demnach darin, die Bande zu infiltrieren. Also sich als einer von ihnen auszugeben, sich anzufreunden und ihr Vertrauen zu gewinnen. Danach kann man – vielleicht bei einem Bier in irgendeinem Pub, wo sie richtig ins Prahlen kommen – aus ihnen herauskitzeln, was sie mit dem Gold gemacht haben.«
»Damit könnte man doch einen Agenten der englischen Polizei beauftragen«, sagte Lise. »Die sprechen ja schließlich auch englisch.«
»Wir haben mit den Agenten der Polizei gesprochen, wie du das nennst«, sagte Helge.
»Oder Scotland Yard, wie wir das nennen«, sagte Hallgeir mit überlegener Miene.
»Die sagen, dass die Crunch-Brüder einen echten englischen Polizisten schon von Weitem wittern können…«
»Weil sie nach Kohlrouladen riechen.«
»Scotland Yard hielt es deshalb für eine gute Idee, sie mithilfe von Kindern und einem verrückten Professor hinters Licht zu führen. Die werden sie nämlich bestimmt nicht riechen können.«
»Alsoooo!«, sagte der König. »Habt ihr euren Auftrag verstanden?«
»Jessör!«, rief Bulle, baute sich stocksteif auf und legte die Hand an die Stirn. »Und falls es doch nötig werden sollte, ein ganz klein bisschen zu foltern, haben wir dann die Erlaubnis? Pieksen? Durchkitzeln?«
»Ihr fahrt bereits morgen früh nach London«, sagte der König. »Um Punkt acht Minuten nach eins trefft ihr einen geheimen Informanten von Scotland Yard, und zwar an der Michael-Jackson-Figur in Madame Tourettes Wachsfigurenkabinett. Dieser Informant gibt euch dann weitere Informationen über die Crunch-Brüder. Und denkt immer daran, dass das ein Geheimauftrag ist, solltet ihr in Gefangenschaft geraten…«
»…kriegen wir keine Hilfe!«, jubelte Bulle. »Das ist ja FANTASTISCH! FANTASTISCH!«
Lise verdrehte die Augen und Doktor Proktor sah Bulle ernsthaft besorgt an.
»Noch
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