Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

allem, was Ihr erzählt habt, seid Ihr aus Gründen, die ich noch nicht erschließen kann, einem Söldnerhauptmann auf den Leim gegangen. Aber ich bin sehr, sehr gut in dem, was ich tue. Wenn es hier etwas gibt, das Ihr mir nicht erzählt habt, werde ich es finden. Ich werde mir so viel Zeit nehmen, wie es braucht, um jede Transaktion zu überprüfen, die Ihr getätigt habt. Ich lasse bereits drei Männer durch die Stadt gehen, die sich nach Euren Aktivitäten erkundigen. Wenn es etwas gibt, das nicht in diesen Büchern steht, werde ich auch das finden. Und der öffentliche Kerker von Porte Oliva ist bei Weitem nicht das Schlimmste, zu dem es von da an kommen kann. Nun, ehe ich anfange, habe ich eine letzte Frage. Ich werde sie Euch nur einmal stellen. Wenn Ihr mir die Wahrheit sagt, bin ich in einer Lage, es einzurichten, dass man Euch gnädig behandelt. Wenn Ihr lügt, kann ich Euer Leben unerträglich machen. Versteht Ihr?«
    Sie hätte sich fürchten sollen. Das war es auf jeden Fall, was Paerin Clark beabsichtigte. Stattdessen durchdrang ein seltsamer Frieden ihr Inneres. Er schikanierte sie. Er behandelte sie herablassend. Er unterschätzte sie. Und daher legte sie ihre letzte Zurückhaltung ab. Der Mann war ein Arsch, und alles, was sie ihm antat, war gerechtfertigt.
    »Ich verstehe«, sagte sie. Sie sah, wie er zögerte, als er etwas in ihrer Stimme hörte, womit er nicht gerechnet hatte. Sie lächelte. »Was war Eure Frage?«
    »Was verheimlicht Ihr mir?«, fragte er.
    Dass ich Euch schlagen werde , dachte Cithrin. Dass ich gewinnen werde.
    »Wenn Ihr Fragen habt, Meister Clark, dann stehe ich Euch zur Verfügung«, sagte Cithrin. »Aber meine Zahlen stimmen.«
    In der nächsten Woche lebte sie im Exil, saß in ihrem Kaffeehaus oder ging tagsüber durch die Straßen und schlief nachts in einem Gasthaus nicht weit von ihrer Bank entfernt. Der Auditor suchte sie täglich mit Listen von Fragen und Erklärungen auf: Weshalb war der Zinssatz in diesem Vertrag aufgeführt, in jenem aber nicht? Weshalb war eine bestimmte Summe aus den Reserven der Bank abgezogen worden, und wann würde sie zurückgeführt werden? Weshalb war dieses Darlehen angenommen worden, während jenes mit einem offensichtlich größeren Nutzen abgelehnt worden war? Cithrin saß in ihren Räumen – ihren , verdammt – und ließ zu, dass sie der Prüfung unterworfen wurde. Sie kannte jede Antwort, und nach ein paar Tagen wurde es zu einer Art Spiel zu beobachten, wie Clark versuchte, sie zu erwischen. Er war schlau, und er kannte sein Geschäft. Sie stellte sogar fest, dass sie ihn respektierte. Er machte diese Arbeit, seit Cithrin kaum mehr als ein Kind gewesen war.
    Aber das traf auch auf sie zu.
    Die Schiffe fuhren nach Narineiland aus. Sie hatten gepresstes Olivenöl, Wein, Baumwollstoff und die Träume und Hoffnungen der Handelshäuser von Porte Oliva geladen. Aber sie hatten keine finanziellen Vereinbarungen mit der Medean-Bank von Porte Oliva getroffen, denn die Prüfung dauerte immer noch an. Vielleicht im nächsten Jahr.
    Cithrin stand auf der Seemauer und sah zu, wie die Schiffe ausliefen, an den Gefahren der Bucht vorbei hinausruderten und dann die Segel hissten, die sich füllten wie aufblühende Frühlingsblumen. Sie stand still, bis sie in dem Grau zwischen Meer und Himmel verblassten, und dann beobachtete sie den Nebel. Möwen schrien und wendeten in der offenen Luft, beschwerten sich oder feierten. Neben ihr verschränkte Hauptmann Wester die Arme.
    »Noch jemand ist heute Vormittag ins Kaffeehaus gekommen«, sagte er. »Deine Braumeisterin mit ihrem Sohn.«
    »Was habt Ihr ihnen gesagt?«
    »Yardem hat mit ihr geredet. Er hat das Gleiche gesagt wie zu den anderen. Die Prüfung ist bei einem neuen Ableger üblich, und bitte tut einfach, worum der Mann bittet. Sie war nicht zufrieden. Sie wollte mit dir sprechen. Es hat ihr nicht gefallen, als Yardem gesagt hat, dass es die Aufgabe des Auditors nicht leichter macht, wenn ihr beiden Eure Bilanzen vergleicht. Sie hat Yardem den Vorwurf gemacht, er würde ihr etwas vorwerfen.«
    »Das tut mir leid«, sagte Cithrin. »Ich würde alldem ein Ende setzen, wenn ich könnte.«
    »Ich weiß.«
    Cithrin zog ihren Umhang dichter um sich und wandte sich vom grenzenlosen Meer zurück zur Stadt. Ihrer Stadt. Sie war nicht ganz sicher, wann es ihre geworden war.
    »Mit etwas Glück sind wir bald wieder im gewohnten Betrieb.«
    Er kam an ihre Seite. Sie konnte nicht sagen, ob er sich ihren