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Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
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zusammen. Ruhig, ganz ruhig, er macht nur seinen Job, ermahnte ich mich.
    »Nun?« fragte er noch einmal und gab sich alle Mühe, mich aus seinen blaßroten Schweinsäuglein durchdringend anzusehen.
    »Zehntausend Kronen, das sind etwa siebentausend niederländische Gulden, also um einiges mehr als Ihr Jahresgehalt.«
    Er biß sich auf die Unterlippe und wurde blutrot. Für einen Moment sah ich ihn auf einer Schlachtbank liegen, während zwei Schlachter Presskopf und Sülze aus ihm machten.
    »Wo werden Sie wohnen?« fuhr er fort.
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »In welcher Stadt?«
    »Auf jeden Fall in Amsterdam. Man hat mir eine Stelle als Polizeireporter bei einer Zeitung angeboten.« Ich konnte seinem Gesicht ansehen, daß er nicht wußte, ob er das glauben sollte.
    »Sie hören noch von uns.«
    »Gut möglich.«
    Erschrieb sich noch etwas auf und sah mich betrübt an, als er mir danach meinen Paß zurückgab. Ich durfte weitergehen. Alles übrige verlief reibungslos. Ich nahm den Bus und holperte bis zur Endhaltestelle am Museumplein.
    Drei Jahre lang hatte ich Amsterdam nicht mehr gesehen. Zwei davon war ich im Gefängnis gewesen und eines im Ausland. In diesen drei Jahren war ich ein anderer Mensch geworden. Ich war gespannt, was sich unterdessen in Amsterdam getan hatte.
    Mit einem Stoß Zeitungen unter dem Arm, die ich im Kiosk des KLM-Gebäudes am Museumplein gekauft hatte, schlenderte ich zum Leidseplein. Dabei fiel mir als erstes auf, daß um mich herum Niederländisch gesprochen wurde. Und als zweites, daß es so laut war. Die Leute redeten, nein schrien aus vollem Hals, Autofahrer hupten ungeduldig und dreist, Radfahrer fluchten, Drehorgeln quengelten, und über dieses Pandämonium donnerte ohrenbetäubend ein Düsenflugzeug hinweg. Amsterdam schien zur lärmendsten Stadt der Welt geworden zu sein. Aber vielleicht fiel mir das nur so sehr auf, weil ich gerade aus den schwedischen Wäldern kam.
    Die Sonne lag noch auf den Terrassen vom Lido und, am äußersten Rand, vom Americain . Beide waren gerammelt voll. Aber ich ging weiter, denn ich hatte keine Lust, gleich am ersten Tag mit Bekannten konfrontiert zu werden. Eingangs der Leidsestraat sah ich ein, zwei neue Espressobars. Davor standen Grüppchen von Italienern, die sich lebhaft unterhielten. Es herrschte überhaupt ein lebhaftes Treiben, und ich sah viele ausländische Touristen. Die Stadt hatte, dem ersten, flüchtigen Blick nach zu urteilen, etwas Internationales und Beschwingtes angenommen, das früher meiner Meinung nach nicht dagewesen war. Aber vielleicht lag das auch am schönen Wetter.
    Im Schaufenster von Dikker en Thijs Ecke Leidsestraat/Prinsengrachtprangte wie eh und je ein verschwenderisches Sortiment an lukullischen Köstlichkeiten. Ich bog dort links ab und ging am mir nur allzu gut bekannten Gerichtsgebäude vorbei zur Leidsegracht. Dort war das gediegene, altmodische kleine Hotel, in dem ich von Stockholm aus ein Zimmer reserviert hatte. Ich kannte es von früher, weil ich dort manchmal Besuch untergebracht hatte. Ich hatte ganz in der Nähe gewohnt.

2
    Im dunklen, niedrigen, nach Bohnerwachs riechenden Vestibül war es überraschend kühl. Der alte Herr an der Rezeption trug einen sogenannten Vatermörder. Vor ihm stand ein halbvolles Glas Sherry, auf einem Beistelltisch in Reichweite eine volle Flasche und auf dem Boden daneben zwei leere. Mit Füllfederhalter trug er zittrig meinen Namen in ein Register ein, gab mir dann die Schlüssel und fragte, was ich zum Frühstück wollte. Da ich gerade Hunger bekam, gab ich eine umfangreiche Bestellung auf, Spiegeleier mit Speck, eine Kanne Kaffee, ein Glas Orangensaft, Toast und Marmelade.
    Er notierte alles umständlich und sagte: »Ein englisches Frühstück, Mijnheer, sehr gesund und schmackhaft, wenn ich das sagen darf. Und den Orangensaft frisch gepreßt, wenn’s recht ist?«
    Ja, das war mir sehr recht. Weitere Fragen hatte er nicht. Wo mein Gepäck war oder wie lange ich zu bleiben gedachte, kümmerte ihn nicht, ihm lag lediglich die Qualität meines Frühstücks am Herzen. Hinaufbegleiten wollte er mich auch noch, aber das wimmelte ich ab. Ich würde es schon finden, beruhigte ich ihn. Als ich den vorsintflutlichen Fahrstuhl betrat, sah ich, daß seine Hand zum wartenden Sherryglas glitt, und da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, wieder zu Hause zu sein.
    Mein Zimmer war im zweiten Stock, nicht groß, aber mit einem komfortablen Bett, Blick auf die Gracht und Dusche –

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