Dolly - 17 - Eine Hauptrolle fuer die Burg
Herrschaften, aber ohne Fräulein Schillerbach können wir die Szene nicht drehen!”
Genau in diesem Augenblick rauschte Fräulein Wehmut herein. Den gewaltigen Busen hochaufgereckt, die Haarpracht zu einer imponierenden Hochfrisur aufgetürmt, marschierte sie in die Dekoration.
„Hier ist Ihre Schillerbach! Ich bitte viiielmals um Entschuldigung für die Verspätung!” Und zu dem Schauspieler Peter Parker gewandt, zitierte sie gleich den ersten Satz des Textes: „Herr Kommissar, im Namen des gesamten Lehrerkollegiums muß ich energisch gegen Ihr Vorgehen protestieren!” Ihre Stimme orgelte, und die „r” rollten, daß es eine Wonne war. Herr Dophahn blieb vor Erstaunen der Mund offenstehen.
„Sie haben die Rolle der Schillerbach studiert?” fragte er schließlich amüsiert.
„Selbstverständlich! Wenn ich mich auf ein Stück vorbereite, dann tue ich es gründlich!” antwortete Fräulein Wehmut selbstbewußt. „Ich bin kein Laie, müssen Sie wissen.”
„Großartig! Warum eigentlich nicht… Dann können wir ja anfangen.”
Die Szene wurde nun mit den übrigen Darstellern geprobt und eingeleuchtet, und bald darauf konnte die erste Klappe fallen, wie man das in der Fachsprache nannte. So erklärte es der Regieassistent, flüsternd und um äußerste Ruhe bittend, den wenig später auftauchenden Mädchen, die er im Hintergrund postierte. Fräulein Wehmut winkte ihnen zu, dann konzentrierte sie sich ganz auf ihre Rolle.
„Wenn ich mich auf ein Stück vorbereite, dann tue ich es gründlich!” antwortete Fräulein Wehmut selbstbewußt
Und sie spielte sie großartig. Sie spielte sie so gut, daß Kollegen und Regisseur am Ende Beifall klatschten. Juanita und ihre Freundinnen sahen sich ratlos an. Was war hier geschehen? Wie war das zu erklären? Fragen konnten sie nicht, damit hätten sie sich verraten. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als so zu tun, als sei alles in bester Ordnung. Kaum war die letzte Klappe gefallen, kam Fräulein Wehmut zu ihnen herüber. Überschwenglich schloß sie Juanita in die
Arme.
„Kleines, du hast mir Glück gebracht! Das habe ich schon geahnt,
als du mir das Drehbuch überbrachtest! Und ihr anderen auch! Ich
danke euch für die Geduld, die ihr in den letzten Tagen mit mir gehabt
habt! Es muß nicht leicht für euch gewesen sein. Aber das wollen wir
feiern! Morgen nachmittag lade ich euch alle zu Kakao und Kuchen
ein. Das wird auch mich für die Qualen der vergangenen Tage ein
wenig entschädigen!”
Es geht nichts über Kino
Inzwischen war es Mai geworden. Zartes Grün an Büschen und Bäumen und ein Meer von weißen und rosa Blüten ließen die düsteren Mauern der Burg, die tosende Brandung, die gegen die Klippen donnerte, vergessen. Vogelgezwitscher erfüllte die Luft und hallte durch den Innenhof, so daß Herr Dophahn, der gerade hier eine Szene drehen wollte, in der er Totenstille vorgesehen hatte, mehr als einmal gegen die Mauern anbrüllte: „Ruhe da oben! Wir drehen!”, was die Spatzen im Efeu nicht im mindesten beeindruckte.
Auch die Filmgruppe der Burg sah man nun ständig auf der Suche nach lohnenden Motiven durch die Gegend streifen. Um möglichst viele Mädchen an dem Projekt beteiligen zu können, hatte KlausHenning Schwarze mehrere Gruppen gebildet, die jede den Auftrag hatte, eine Episode des Films zu drehen. So gab es die Montags-, die Dienstags-, Mittwochs-und Donnerstagsgruppe. Jede durfte einmal in der Woche die Ausrüstung benutzen und eine bestimmte Menge Material verbrauchen. Gestaltung des Textes, Motive, Kameraführung und Schnitt lag in der Verantwortung der Mädchen. Der Lehrer stand ihnen lediglich mit seinem Rat zur Seite und vermittelte ihnen das technische Grundwissen.
Bei vier Gruppen blieb es nicht aus, daß sie in Konkurrenz zueinander traten. Jede wollte am Ende die beste und witzigste Episode zu dem Film beisteuern. Kein Wunder, daß es am Anfang heftige Diskussionen gegeben hatte, wie man dieses Ziel am besten erreichen könnte.
Der Montagsgruppe standen die Zwillinge Charlie und Isa aus der Vierten vor.
„Ich bin der Meinung, wenn wir ein gutes Drehbuch haben, ist die schlimmste Arbeit schon getan. Wenn wir ins Blaue hinein aufnehmen, was sich uns gerade bietet, kann das nur in einem Chaos enden. Was meint ihr?”
Keiner hatte gegen Charlies Vorschlag etwas einzuwenden. Also setzten sie sich zunächst hin und entwarfen eine Geschichte.
Anders die Gruppe von Regine. Sie schlug vor, zu drehen, was ihnen an Lohnenswertem vor das
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