Dolly - 17 - Eine Hauptrolle fuer die Burg
eigentümlicher Singsang nach draußen.
„Sie macht Sprechübungen!”
„Brav, brav”, murmelte Juanita. „Man kann nie genug für seine gute Aussprache tun!”
„Hoffentlich kommt der Schwindel nicht schon morgen auf, wenn sie sich überschwenglich bei Herrn Dophahn für die schöne Rolle bedankt!” meinte Regine besorgt. „Die wird sich in ihrer Begeisterung doch sofort auf ihn stürzen!”
„Glaube ich nicht.” Juanita warf einen letzten Blick auf die Tür, hinter der jetzt Tonleitern getrillert wurden. „In den nächsten Tagen dreht das Team am Hafen drüben, da essen sie im Strandhotel. Und da Herr Dophahn im Strandhotel wohnt, wird er sich kaum hier blicken lassen.”
„Hoffen wir’s.”
Wie die Mädchen vermutet hatten, war Fräulein Wehmut in den nächsten Tagen kaum ansprechbar. Wie eine Schlafwandlerin erschien sie zum Unterricht, war nachsichtig und geduldig und nickte auch auf falsche Antworten hin zustimmend. Beim Korrigieren übersah sie die Hälfte der Fehler, und es regnete gute Noten. Ja, obwohl sie sich von Kräutertee, grünen Äpfeln und rohen Karotten ernährte, strahlte ihr Gesicht in einem fast überirdischen Glanz.
Näherte man sich ihrer Zimmertür, drangen kuriose Sprechübungen oder Sätze der Rolle, die sie zu spielen hoffte, heraus. Und klopfte man bei ihr an, um unter irgendeinem Vorwand zu ihr hineinzuschauen, war Fräulein Wehmut – unter einem Turban aus Handtüchern, das Gesicht unter einer weißen Paste verborgen-einem afrikanischen Eingeborenen beim Kriegstanz ähnlicher als der ihnen vertrauten Lehrerin. Zumal sie sich bei ihren Übungen durch den Eintretenden nicht stören ließ.
„Wadrala, wadrale… Komm rein, mein Kleines, was gibt’s? Wadrali, wadralo, wadralu…”, tönte es mit rollendem „r” und dumpfer Stimme unter der Maske hervor, und man konnte meinen, einem Zauberritus beizuwohnen.
Den Mädchen wurde es von Tag zu Tag unbehaglicher zumute. Wie würde Fräulein Wehmut die Enttäuschung aufnehmen? War es nicht unfair, in ihr solche Hoffnungen erweckt zu haben? Doch nun gab es kein Zurück mehr. Wie auch hätte Juanita den Irrtum jetzt erklären sollen? Gewiß, sie konnte sich damit herausreden, daß sie nur gesagt hatte, „Ihre Rolle ist angestrichen”, und dabei vergessen hatte, die Farbe zu erwähnen. Die Vorwürfe würde nicht sie, sondern der Regieassistent einstecken, der das Buch nicht persönlich zu Fräulein Wehmut gebracht hatte. Aber war das ein Trost? In der Nacht vor der Aufnahme schlief die Zweite aus dem Nordturm schlecht. Das Lampenfieber, das Fräulein Wehmut in heitere Erregung versetzte, ihnen lag es wie ein Felsbrocken auf dem Magen. Blaß und schweigsam erschienen sie am Frühstückstisch. Alexa kam als letzte.
„Fräulein Wehmut hat mich aufgehalten”, sagte sie wichtigtuerisch. „Ich soll euch mitteilen, daß wir heute zwei Freistunden haben, in der Zeit, in der sie uns eigentlich unterrichten müßte. Wer Lust hat, darf bei ihren Dreharbeiten zusehen, sie wird das mit Herrn Dophahn regeln.”
„Ach du lieber Himmel!” fuhr es Babsi heraus.
„Es hilft nichts, wir müssen hin!” mahnte Juanita. „Wir würden uns sofort verdächtig machen, wenn wir nicht kommen. Auslöffeln müssen wir die Suppe sowieso!”
„Sehr trostreich!” stöhnte Fanny.
Inzwischen war das Filmteam bei den Vorbereitungen der langen und schwierigen Szenen im Lehrerzimmer. Dekoration und Lampen waren aufgebaut, Kamera und Mikrofon standen bereit. Alles wartete auf die Schauspieler.
Als Herr Dophahn auf der Bildfläche erschien, waren alle Darsteller bis auf Fräulein Wehmut und Frau Gehrke, die Darstellerin des Fräulein Schillerbach, der Wortführerin des revoltierenden Lehrerkollegiums, in der Dekoration anwesend.
„Eine Dame ist in der Maske noch nicht ganz fertig, sie kommt sofort”, meldete der Regieassistent. „Aber wir warten immer noch auf Frau Gehrke! Ich habe schon im Hotel angerufen, dort ist sie vor einer Stunde weggefahren! Ich kann mir das einfach nicht erklären…”
Er hatte kaum ausgesprochen, als die Sekretärin hereingestürzt kam und auf den Regisseur einflüsterte.
„Ein Unfall? Ins Krankenhaus?” rief Herr Dophahn entsetzt aus. „Das hat mir gerade noch gefehlt! Und wie lange?” Wieder flüsterte die Sekretärin.
„Bein gebrochen? Prost Mahlzeit, na dann…” Herr Dophahn sank in sich zusammen und verbarg das Gesicht in den Händen. Ein paar Sekunden später richtete er sich auf und rief: „Tut mir leid, meine
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