Dolly - 17 - Eine Hauptrolle fuer die Burg
war sie nervös. Für eine zweite Aufnahme die Kleidung ihres durchnäßten Kollegen zu trocknen würde eine Stunde dauern – das mußte unbedingt vermieden werden.
„Action!” drang es an ihr Ohr, und sie wurde am Arm gepackt und hinter dem Rücken des jungen Mannes an der Wand entlanggeschoben. Verflixt! Ihr hochhackiger Schuh war zwischen den Steinen hängengeblieben, also barfuß weiter, das war nicht so schlimm. Jetzt waren sie am Fenster, sie wurde losgelassen. Ihr den Rücken zudrehend schwenkte der junge Schauspieler, Furcht und äußerste Anspannung im Gesicht, die Pistole von rechts nach links. Jetzt! Leonie Larsen warf einen flüchtigen Blick über die Schulter. Die Schüssel stand viel zu weit links… Sie mußte einen Schritt machen, um sie zu erreichen – vermutlich waren sie nicht weit genug zurückgegangen. Sie tastete sich, den jungen Mann vor ihr nicht aus den Augen lassend, mit den Händen bis zur Schüssel vor, ergriff sie und – platsch!
Sie war so erschrocken, daß sie vergaß wegzulaufen. Was da über Kopf und Körper des jungen Kollegen lief, war kein Wasser, sondern ein dickflüssiger gelblicher Brei, der ihm Augen und Nase verklebte und ihm das Aussehen eines Schloßgespensts im Nachthemd gab.
Zum Glück dauerte es nur eine Schrecksekunde, dann lief sie davon. „Wer war das? Sabotage!” kreischte Herr Bösemann.
Leonie Larsen tastete sich mit den Händen bis zur Schüssel vor, ergriff sie – und platsch
„Halten Sie den Mund, Mann, das war großartig! Lauf, Leonie, spiel weiter!” brüllte Herr Dophahn dazwischen. „Geschafft! Die haben wir im Kasten!”
Mit einem erleichterten Seufzer sank er auf seinen Stuhl zurück. „Herr Dophahn, ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte!” Herr Bösemann kam jammernd angerannt. „Ich habe genaue Anweisungen…”
„Das interessiert mich nicht. Wer oder was auch immer schuld war
– diesem Zufall verdanken wir eine hervorragende Aufnahme! Alles andere ist unwichtig, Mann! Eine halbe Stunde Pause für alle…”
Die Möwen zeigen, was sie können
Die Filmarbeiten waren abgeschlossen, Kamera, Mikrofone, Scheinwerfer und Kostüme verladen. Für den letzten Abend hatten sich Burg-und Nestmöwen etwas ausgedacht: Sie luden die Gäste zu einem Sommerfest ein!
Da das heiße Sommerwetter einen milden Abend versprach, hatte man den Innenhof der Burg zum Festsaal erkoren. Girlanden mit Lampions überspannten die gesamte Fläche wie eine Laube. Lange Tische mit Bänken standen rund um die Freilichtbühne, auf deren Hintergrund ein weißes Laken gespannt war. Unter einer Schutzplane verborgen wartete ein Filmvorführgerät auf seinen Einsatz.
Die Burgmöwen waren für den Tischdienst verantwortlich, die Nestmöwen hatten für die kulinarische Ausgestaltung des Festes gesorgt. Auf einem sechs Meter langen Büffet standen ein Dutzend Salate, Platten mit kaltem Fleisch und Pasteten, mit Wurst und mit Käse, Früchte, Süßspeisen und Kuchen, eine Auswahl an Brotsorten, zu Figuren modellierte Butter und die verschiedensten Saucen zum Fleisch. An der Bar daneben gab es Bowle und mehrere Sorten Fruchtsaft. Für die ganz Hungrigen brodelte in einem Kessel eine kräftige Suppe „a la Burggeist”.
Gegen sechs Uhr begann sich der Hof zu füllen. Sehnsüchtig warteten die Mädchen auf die Gäste, denn bevor die nicht eingetroffen waren, durfte das Büffet nicht gestürmt werden. Sie kamen natürlich als letzte. Man geleitete sie an den Ehrentisch vorne an der Bühne, auf der nun Frau Greiling erschien, um das Fest offiziell zu eröffnen.
„Liebe Gäste! Liebe Freunde! Ich begrüße Sie alle sehr herzlich! Ganz besonders auch die zahlreichen Schülerinnen, die so eifrig geholfen haben, diesen festlichen Abend auszugestalten. Ereignisreiche Monate liegen hinter uns. Nicht immer war es einfach, weder für Sie, lieber Herr Kuntze und lieber Herr Dophahn, noch für uns, die wir den normalen Schulbetrieb aufrechterhalten mußten. Aber alles in allem können wir mit dem Verlauf wohl zufrieden sein, und ich hoffe, auch Sie und Ihre Mannschaft reisen mit dem Gefühl ab, in Burg Möwenfels eine schöne und erfolgreiche Zeit verbracht zu haben. Wir jedenfalls haben uns gefreut, Sie als Gäste bei uns zu haben. Ich möchte Sie nicht mit langen Reden langweilen, sondern mich darauf beschränken, allen von Herzen einen fröhlichen Abend zu wünschen!”
„Endlich!” flüsterte Olly und ergriff ihren Teller – aber nun bestieg Herr Dophahn die Bühne
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