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Domain

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Titel: Domain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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einstellten.
    Während die Dunkelheit die letzten Lichtflecken auffraß, hatte er über die Dinge nachgedacht, die in diesem Augenblick wichtig waren. Es gab niemanden, für den er Tränen vergießen konnte, überhaupt war ihm nicht zum Weinen zumute. Im Gegenteil, der alte Mann empfand so etwas wie Zufriedenheit.
    Immerhin war es ihm gelungen, den Ort, wo er sterben würde, in eigener Verantwortung festzulegen, was einem stillen Sieg über die Behörde gleichkam, die zweiundvierzig Jahre lang jeden seiner Schritte bestimmt hatte. Irgendwo hatte er einmal gelesen, dass der Hungertod im Grunde eine überaus angenehme Sache war. Der Geist wurde frei, war nicht länger an die physischen Bedürfnisse gebunden. Allerdings gab es eine Phase, wo man starke Magenschmerzen hatte. Die inneren Organe wehrten sich dagegen, dass sie von der Zufuhr neuer Energien abgeschnitten wurden. Aber diese Phase war schnell vorübergegangen. Danach war alles gut gewesen.
    Der alte Mann hatte der Stille gelauscht, die unter der Erde herrschte. Er hatte das Gefühl für die Zeit verloren, und so hätte er nicht sagen können, an welchem Tag die Halluzinationen begannen und wann sie endeten. Die Visionen waren von sehr unterschiedlicher Qualität gewesen. Es gab erfreuliche, zum Beispiel die Begegnung mit Gott, die er benutzt hatte, um einige Anekdoten, darunter auch ein paar gewagte, mit dem Schöpfer auszutauschen. Ebenso lustig war es gewesen, durch den Weltenraum zu treiben und den Erdball zu betrachten, der aus der Entfernung wie ein leuchtendblauer Stecknadelkopf aussah. Aber es hatte auch schlimme Visionen gegeben, zum Beispiel die großen, schwarzen Tiere, die ihn sehr geängstigt hatten, obwohl er wusste, dass sie nicht existierten. Es war irgendwie unangenehm gewesen, das Schnüffeln und Scharren dieser Wesen zu hören. Das Geräusch schien aus einem Gitter zu kommen, das in den Boden des Verbindungsgangs eingelassen war, und manchmal hatte der alte Mann sogar den warmen Atem der Vierbeiner an seinen Wangen gespürt. Natürlich hatte er nie gewagt, nach den Tieren zu greifen, das wäre ihm wie ein Sakrileg erschienen, wie ein Zweifel an der erfreulichen Tatsache, dass es sich um Halluzinationen handelte.
    Der Übergang vom Leben zum Tod war wie das Dahingleiten auf einem dunklen See. Der alte Mann hatte sich ein letztes Mal aufgebäumt, und dann waren seine Füße nach außen gekippt. Er war in dem wunderschönen Bewusstsein gestorben, dass sein Sterben für niemanden auf der Welt irgendwelche Konsequenzen haben würde.
    In diesem Punkt allerdings hatte er sich getäuscht.
    Hätte sich der Kanalarbeiter nicht gerade den
    Verbindungsgang als letzte Ruhestätte ausgesucht und hätte er seine Beine nicht so lang ausgestreckt, wie er es für diesen besonderen Zweck bequem fand, wäre Ellison nicht über seine Leiche gestolpert. Ellison hätte dann auch nicht seine Taschenlampe, seinen Revolver und, wenig später, sein Leben eingebüßt.
    Ellison war aus dem Raum, wo Dealey und Kate auf die Rückkehr der beiden Männer warteten, davongerannt, ohne lange abzuwägen, wo die Vorteile und wo die Risiken lagen.
    Für ihn stand fest, dass seine Gefährten keine
    Überlebenschance hatten. Culver und Fairbank waren sicher schon ein Opfer der Ratten geworden, Dealey und das Mädchen würden schon sehr bald das gleiche Schicksal erleiden. Es war ihm egal, dass die beiden letzteren schon deshalb sterben mussten, weil er ihnen die Taschenlampe und die Waffe weggenommen hatte. Sie waren gottverdammte Dummköpfe, und die Welt war nun einmal nicht für Dummköpfe gemacht, sondern für Männer wie ihn. Nur wer skrupellos war, konnte überleben.
    Er hastete auf die Tür zu, die auf der gegenüberliegenden Seite des Raums zu erkennen war, und betete, dass er sie nicht verschlossen vorfinden würde. Er hatte Glück. Die Tür schwang auf. Im Schein der Taschenlampe war ein kurzer Korridor zu erkennen, dessen Ende von einer weiteren Tür markiert wurde. Wer dieses Tollhaus entworfen hatte, musste eine krankhafte Vorliebe für Gänge und Türen gehabt haben.
    Ellison fluchte und sprang über die Schwelle hinweg. Mit schnellen Schritten brachte er die ersten Meter hinter sich. Er war so besessen von der Idee, möglichst schnell an die Oberfläche zu kommen, dass er den Toten übersah, der auf dem Boden des Verbindungsgangs ausgestreckt lag. Er stolperte über die Beine der Leiche, kam zu Fall und schlug mit Händen und Knien auf dem rauhen Betonboden auf. Der

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