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Domain

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Titel: Domain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Boden des Bunkers auf. Dann war das Rudel über ihm. Die Ratten balgten sich um die besten Bissen. Eine Blutlache breitete sich aus und vermischte sich mit dem Sickerwasser, das über den kühlen Beton strömte.
    Die Ratten fraßen; und während ihre Kiefer die Knochen des Toten zermalmten, blickten sie nach oben. Sie beobachteten die drei Menschen, die in das Loch hinabstarrten, und den schrägliegenden Eisenträger, der die Brücke darstellte, über die sie ihre neuen Opfer erreichen würden.

32
    Das Ding, das Ellisons Tod bewirken würde, lag im Halbdunkel verborgen. Es bewegte sich nicht, es atmete auch nicht. Es machte keine Geräusche, und es hätte auch gar keine machen können, selbst wenn es gewollt hätte. Das Ding war seit längerer Zeit tot. Und doch würde es Ellison töten.
    Es war die Leiche eines Kanalarbeiters. Als die Alarmsirenen gellten, hatte sich der Mann ein ruhiges Plätzchen zum Sterben gesucht. Eine dunkle Stelle. Kopfschüttelnd hatte er seinen Arbeitskollegen nachgesehen, die aus dem Schacht, mit dessen Reinigung sie beschäftigt gewesen waren, an die Oberfläche kletterten. Diese Menschen würden jetzt zu ihren Familien eilen. Sie hatten – was ihn, einen Mann von Lebenserfahrung sehr wunderte – Vertrauen in die Behörden. Diese hatten, in Wort und Schrift, verkündet, dass alles nicht so heiß gegessen wurde, wie man es kochte. Es sei wichtig, so hatte es geheißen, dass die Männer, wenn es gefährlich wurde, bei ihren Familien weilten. Er selbst fand das nicht so wichtig. Er war ein Arbeiter, der kurz vor der Rente stand. Zweiundvierzig Jahre lang hatte er in den Abwasserkanälen der Stadt geschuftet.
    Scherzweise hatten einige Kollegen sogar behauptet, er sei schon dort geboren worden. Der alte Mann war müde, und das nicht nur, was das Körperliche betraf. Er war bereit zu sterben, weil das Leben seine Erwartungen nicht erfüllt hatte. Hätte er zu irgendjemandem über seine Ansichten gesprochen, wäre er auf Erstaunen gestoßen. Er fand, dass es in den Schmutzwasserkanälen viel sauberer zuging als oben, auf den Straßen. Es ging sauber zu, weil es hier unten nur sehr wenig Menschen gab. Oben gab es alle möglichen Schattierungen. Es gab diese und jene Meinungen in der Politik, es gab Menschen mit heller Hautfarbe (gut) und dunkler Hautfarbe (nicht so gut). Im ausgehöhlten Gestein unter der großen Stadt fehlten solche Abstufungen, hier war alles schwarz, ausgenommen jene Gegenstände oder Flächen, die man mit einer Taschenlampe anstrahlte. Aber auch wenn man die Wände eines Kanals mit künstlichem Licht erhellte, so änderte das nichts an der Grundfarbe, die unter der Erde herrschte. Ein intensives Schwarz. Und das gefiel ihm, weil er ein Mensch war, der die absoluten Dinge bevorzugte. Die Tunnels befriedigten dieses Bedürfnis in unübertroffener Weise.
    Auch die Bomben, die gefallen waren, gehörten zu den absoluten Dingen, mit der Besonderheit, dass sie das Ende für alle anderen Dinge bedeuteten. Es würde künftig kein Leben mehr geben, nur noch Tod.
    Der alte Mann hatte die ihm unterstellten Arbeiter, als sie nach oben drängten, nicht aufgehalten. Er hatte ihnen nicht einmal einen Rat auf den Weg gegeben. In gewisser Weise war er froh, dass er der Verantwortung für diese Menschen nun enthoben sein würde. Er war in die Tiefe hinabgestiegen und hatte sich ein geeignetes Plätzchen gesucht, um das Ende abzuwarten. Eine dunkle Stelle.
    Der Luftschutzbunker, der im Zweiten Weltkrieg errichtet wurde, war für den alten Mann wohlbekanntes Terrain, obwohl es den Kanalarbeitern, wenn man es denn ganz genau nahm, verboten war, diesen Bereich zu betreten. Es war einige Jahre her, dass er den Bunker zum letzten Mal betreten hatte, die Neugier war damals die Triebkraft gewesen. Die Besichtigung war damals nicht aufregender ausgefallen als beim ersten Mal, und das war der Grund, warum der Mann diese unterirdischen Schutzräume eigentlich schon vergessen hatte. Als die Sirenen heulten, erinnerte er sich daran. Der Bunker hatte den Vorteil, dass er trocken war, im Unterschied zu den Kanälen, die ohne Wasser gewissermaßen überhaupt keine Existenzberechtigung gehabt hätten. Zum Sterben, so fand er, brauchte man eine Stelle, wo es trocken war. Der Bunker war da genau das Richtige.
    Und so hatte er sich auf dem Boden eines Verbindungsganges niedergelassen und sich zur Ruhe gelegt. Es hatte ihn nicht gestört, dass die Batterien in seinem Helm nach einigen Tagen ihren Dienst

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