Dominic Flandry - Spion im All
es, die seit langem die Doktrin verkünden, daß begrenzte Vergeltung kein casus belli sei.«
Hauksberg blickte düster auf seine Fingernägel. Weil er für das Imperium sprach, konnte er nicht gut seine entschiedene Mißbilligung dieser Doktrin zum Ausdruck bringen. »Das reicht weit in unsere Geschichte zurück«, sagte er. »Bis in die Ära der internationalen Kriege. Heutzutage wenden wir diese Doktrin nur noch an, um unseren Leuten in abgelegenen Teilen des Raumes im Falle von Konflikten einige Handlungsfreiheit zu geben. Vielleicht ließe sich ihre Abschaffung arrangieren, wenigstens zwischen Ihrer Regierung und meiner. Aber das setzte als Gegenleistung entsprechende Garantien voraus.«
»Über solche Fragen kann ich leider nicht befinden, aber Sie werden in Merseia Gelegenheit haben, eine Vereinbarung vorzuschlagen, wenn Sie dies wünschen. Was mich angeht, so möchte ich in erster Linie die Freilassung aller Gefangenen erreichen, die sich in Ihrem Gewahrsam befinden.«
»Ich weiß nicht, ob es Überlebende gegeben hat«, sagte Hauksberg. Er wußte recht gut, daß es Gefangene gab und daß Abrams eher seinen Dienst quittieren würde als diese Gefangenen ohne Befragung einfach freizulassen. Und er vermutete, daß Runei es ebenfalls wußte. Eine peinliche Situation. »Ich werde mich erkundigen, wenn Sie es wünschen, und die Freilassung anordnen.«
»Danke«, sagte Runei trocken. »Ich möchte keine militärischen Geheimnisse von Ihnen erfahren, aber was wird die nächste Aktion Ihrer Verbündeten sein?«
»Es sind nicht unsere Verbündeten. Das Imperium führt keinen Krieg.«
»Ersparen Sie mir Ihre Sophistik«, schnaubte Runei. »Ich warne Sie, wie ich schon Admiral Enriques gewarnt habe, daß Merseia nicht müßig zusehen wird, wie die Aggressoren zerstören, was Merseia geschaffen hat, um das Los des Seevolkes zu verbessern.«
»Tatsächlich«, sagte Hauksberg beiläufig, »versuchen wir die Leute von Kursoviki zurückzuhalten, seit der Angriff auf Ujanka abgeschlagen worden ist. Sie schreien nach Vergeltung, aber wir haben sie zu Friedensverhandlungen überredet.«
Runeis Backenmuskeln hüpften, und er saß eine halbe Minute lang still. »Tatsächlich?« fragte er dann mit ausdrucksloser Stimme.
»Tatsächlich«, bestätigte Hauksberg. »Eine Flotte wird in Kürze auslaufen. Man wird Sie noch offiziell verständigen, aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, daß diese Flotte nur kämpfen wird, wenn man sie angreift. Ich vertraue darauf, daß keine Ihrer sogenannten Freiwilligen an Gewalttätigkeiten teilnehmen werden. Wir wollen nichts als über einen Waffenstillstand diskutieren, um so das Fundament für einen dauerhaften Frieden zu legen.«
Runei sagte nichts.
»Unsere Informationen über die Meeresbewohner sind nicht sehr reichhaltig«, fuhr Hauksberg fort, »und natürlich werden wir nicht gleich mit dem kindlichen Vertrauen unserer Verhandlungspartner rechnen können. Darum wäre es sehr hilfreich, wenn Sie den – wie sagten Sie – Sechspunkt von Zletovar drängen würden, daß er unsere Delegation empfängt und sie anhört.«
»Eine gemischte Kommission ...«
»Noch nicht, Kommandant, noch nicht, bitte. Es wird sich um nichts als einleitende Gespräche handeln, Gespräche rein informeller Art.«
»Was Sie meinen«, sagte Runei unbewegt, »ist, daß Admiral Enriques keine Leute zu Verhandlungen schicken will, an denen Merseier teilnehmen.«
»Nein, nein. Nichts so Unfreundliches. Nichts als der Wunsch, Komplikationen zu vermeiden. Wir haben nichts dagegen, wenn Sie sich vom Seevolk über unsere Verhandlungen auf dem laufenden halten lassen. Aber wir müssen wissen, woran wir bei ihnen stehen; tatsächlich müssen wir sie viel besser kennenlernen, bevor wir vernünftige Lösungsvorschläge machen können. Und Sie weigern sich bedauerlicherweise, uns in Ihre Unterlagen Einblick zu gewähren.«
»Ich bin an meine Befehle gebunden«, sagte Runei.
»Gewiß. Auf beiden Seiten wird man die Politik ändern müssen, wenn man eine nennenswerte Zusammenarbeit anstrebt oder sogar gemischte Kommissionen einrichten will. Das ist ein grundsätzliches Problem, und es gehört zu den Gründen meiner Reise nach Merseia. Keine der beiden Regierungen kann diesen Konflikt über Nacht aus der Welt schaffen. Aber wir können einen Anfang machen, Sie und wir. Wir halten das Landvolk zurück, Sie das Seevolk. Bis auf weiteres werden in der Zletovarsee und dem dazugehörigen Luftraum keine militärischen
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