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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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man sich nicht einmal in Gedanken ausmalen, daher mußte das, was sich im Gebüsch bewegte, für dich ein Mann sein. Dasselbe geschah mit dem Koyoten. Deine alten Gewohnheiten bestimmten auch den Charakter dieser Begegnung. Irgend etwas ereignete sich zwischen dir und dem Koyoten, aber es war kein Gespräch. Ich selbst war einmal in einem gleichen Dilemma. Ich habe dir erzählt, daß ich einmal mit einem Reh sprach; und du hast nun mit einem Koyoten gesprochen, aber weder du noch ich werden jemals wissen, was bei diesen Gelegenheiten wirklich geschah.«
    »Was erzählst du mir da, Don Juan?«
    »Als ich die Erklärung der Zauberer begriff, da war es zu spät, um zu erkennen, was das Reh mit mir anstellte. Ich sagte, daß wir miteinander sprachen, aber so war es nicht. Wenn ich sage, daß wir ein Gespräch hatten, dann ist dies nur eine bildliche Redeweise, die mir hilft, daß ich darüber sprechen kann. Das Reh und ich taten irgend etwas, aber damals, als dies geschah, mußte ich die Welt in Übereinstimmung mit meinen Gedanken bringen, genau wie du es tust. Mein Leben lang habe ich geredet, genau wie du. deshalb beherrschten meine Gewohnheiten mich weiter und erstreckten sich auch auf das Reh. Als das Reh zu mir kam und etwas tat. was es auch sein mochte, war ich gezwungen, dies als Reden zu verstehen.«
    »Ist dies die Erklärung der Zauberer?«
    »Nein. Dies ist meine Erklärung, die ich dir gebe. Aber sie widerspricht nicht der Erklärung der Zauberer.« Diese Feststellung versetzte mich in eine starke seelische Erregung. Einen Augenblick lang vergaß ich den umherschleichenden Nachtfalter und sogar mein Mitschreiben. Ich versuchte, seine Äußerungen mit meinen eigenen Worten wiederzugeben, und wir vertieften uns in eine lange Diskussion über den reflexiven Charakter unserer Welt. Die Welt mußte. wie Don Juan meinte, mit ihrer Beschreibung übereinstimmen; das heißt, die Beschreibung reflektierte sich selbst. Ein weiterer Punkt seiner Erläuterungen war. daß wir gelernt hätten, uns zu unserer Beschreibung der Welt mittels dessen zu verhalten, was er als »Gewohnheiten« bezeichnete. Ich führte einen, wie ich glaubte, umfassenderen Begriff ein, nämlich Intention alität. die Eigenschaft menschlichen Bewußtseins. mit deren Hilfe man sich auf ein Objekt bezieht oder es intendiert.
    Unser Gespräch führte zu einer sehr interessanten Spekulation. Betrachtete man mein »Reden« mit dem Koyoten im Licht von Don Juans Erklärung, dann nahm es einen neuen Charakter an. Tatsachlich hatte ich den Dialog »intendiert«, da ich nie ein anderes Mittel der intentionalen Kommunikation gekannt habe. Ich hatte mich auch erfolgreich an die Beschreibung angepaßt, daß Kommunikation durch den Dialog stattfindet, und so hatte ich es dahin gebracht, daß die Beschreibung sich selbst reflektierte.
    Einen Augenblick geriet ich völlig in Verzückung. Don Juan lachte und meinte, die Tatsache, daß ich mich derart von Worten beeindrucken lasse, sei ein weiteres Zeichen meiner Dummheit. Er machte eine komische Grimasse lautlosen Sprechens.
    »Alle fallen wir auf den gleichen Quatsch herein«, sagte er nach langer Pause. »Die einzige Möglichkeit, dies zu überwinden, besteht darin, beharrlich wie ein Krieger zu handeln. Das übrige kommt von selbst und durch sich selbst.«
    »Was ist das übrige, Don Juan?«
    »Wissen und Kraft. Die Wissenden haben beides. Und doch könnte keiner von ihnen sagen, wie er dahin gelangt ist, es zu besitzen, außer daß er stets wie ein Krieger handelte und daß in einem bestimmten Augenblick sich alles änderte.« Er sah mich an. Er schien unentschlossen, dann stand er auf und sagte, es bleibe mir nichts anderes übrig, als meine Verabredung mit dem Wissen einzuhalten. Ein Frösteln überkam mich; mein Herz schlug schneller. Ich stand auf. Don Juan umkreiste mich, als wolle er meinen Körper von allen Seiten untersuchen. Er gab mir ein Zeichen, ich solle mich setzen und weiterschreiben. »Wenn du zuviel Angst hast, wirst du deine Verabredung nicht einhalten können«, sagte er. »Ein Krieger muß ruhig und gesammelt sein, und er darf niemals die Nerven verlieren.«
    »Ich fürchte mich wirklich«, sagte ich. »Nachtfalter oder was sonst, da draußen schleicht etwas durch die Büsche.«
    »Natürlich ist da etwas!« rief er. »Ich beanstande nur, daß du beharrlich glaubst, es sei ein Mann, genau wie du beharrlich denkst, du hättest mit einem Koyoten geredet.« Ein Teil von mir verstand vollkommen,

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