Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten
weiterzusprechen. Ein anderes, mir sehr bedeutsames Problem war sein Freund Don Genaro - und die außerordentliche Wirkung, die sein Tun auf mich gehabt hatte. Jedesmal wenn ich mit ihm in Kontakt gekommen war. hatte ich die seltsamsten Sinnestäuschungen erlebt. Als ich meine Frage vorbrachte, lachte Don Juan. »Genaro ist erstaunlich«, sagte er. »Aber im Augenblick hat es keinen Sinn, über ihn zu sprechen, oder über das. was er mit dir tut. Wieder muß ich sagen, du hast nicht genug persönliche Kraft, um diesen Sachverhalt zu enträtseln. Warte, bis du sie hast, dann wollen wir sprechen.«
»Und was ist, wenn ich sie nie haben werde'?«
»Dann werden wir nie darüber sprechen.«
»Werde ich je genug davon haben, bei dem Tempo, mit dem ich vorankomme?« fragte ich.
»Das hängt von dir ab«, entgegnete er. »Ich habe dir alle nötigen Informationen gegeben. Jetzt ist es deine Aufgabe, genügend persönliche Kraft zu erlangen, um Gewicht zu bekommen.«
»Du sprichst in Metaphern«, sagte ich. »Drück dich klar aus. Sag mir genau, was ich tun soll. Falls du es mir schon gesagt hast, nehmen wir an, ich habe es vergessen.«
Don Juan kicherte und legte sich hin, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
»Du weißt genau, was du brauchst«, sagte er. Ich sagte ihm, daß ich dies manchmal wisse, daß ich aber meistens kein Selbstvertrauen hätte.
»Ich fürchte, du bringst die Dinge durcheinander«, sagte er. »Das Selbstvertrauen des Kriegers ist nicht das Selbstvertrauen des Durchschnittsmenschen. Der Durchschnittsmensch strebt nach Bestätigung in den Augen des außenstehenden Betrachters und nennt dies Selbstvertrauen. Der Krieger strebt nach Makellosigkeit in seinen eigenen Augen und nennt dies Bescheidenheit. Der Durchschnittsmensch ist auf seine Mitmenschen angewiesen, während der Krieger nur auf sich selbst angewiesen ist. Vielleicht jagst du nach Luftschlössern. Du suchst nach dem Selbstvertrauen des Durchschnittsmenschen, wo du nach der Demut eines Kriegers suchen solltest. Zwischen beiden besteht ein großer Unterschied. Selbstvertrauen setzt voraus, daß man etwas mit Sicherheit weiß; Demut setzt voraus, daß man in seinen Taten und Gefühlen makellos ist.«
»Ich habe versucht, nach deinen Vorschriften zu leben«, sagte ich. »Vielleicht schaffe ich nicht alles, aber ich gebe mein Bestes. Ist das Makellosigkeit?«
»Nein. Du mußt mehr als das tun. Du mußt dich zwingen. deine Grenzen zu überschreiten - immer.«
»Aber das wäre verrückt, Don Juan. Das kann niemand.«
»Es gibt viele Dinge, die du heute tust und die dir vor zehn Jahren verrückt erschienen wären. Die Dinge selbst haben sich nicht verändert, aber deine Vorstellung von dir selbst hat sich geändert; was vorher unmöglich war, ist jetzt ohne weiteres möglich, und vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, wann es dir gelingt, dich vollkommen zu ändern. In diesen Dingen hat ein Krieger nur die eine Möglichkeit, konsequent und ohne Vorbehalte zu handeln. Du weißt genug über den Weg des Kriegers, um dementsprechend handeln zu können, aber deine alten Gewohnheiten und Routinen stehen dir im Weg.« Ich verstand, was er meinte. »Meinst du, das Schreiben sei eine meiner alten Gewohnheiten, die ich ändern sollte?« fragte ich. »Sollte ich mein neues Manuskript vernichten?«
Er antwortete nicht. Er stand auf und ließ den Blick über den Rand des Chaparral schweifen.
Ich erzählte ihm, daß ich von verschiedenen Leuten Briefe erhalten hätte, die meinten, es sei falsch, über meine Lehrzeit zu schreiben. Sie verwiesen auf die Meister der esoterischen Lehren des Ostens, die absolutes Schweigen über ihre Unterweisungen verlangten.
»Vielleicht schwelgen diese Meister in dem Gefühl. Meister zu sein«, meinte Don Juan, ohne mich anzusehen. »Ich bin kein Meister, ich bin nur ein Krieger. Daher weiß ich wirklich nicht, wie ein Meister sich fühlen mag.«
»Aber vielleicht enthülle ich Dinge, die ich nicht verraten sollte, Don Juan.«
»Es kommt nicht darauf an, was man verrät oder was man für sich behält«, sagte er. »Alles, was wir tun. alles, was wir sind, beruht auf unserer persönlichen Kraft. Haben wir genug davon, dann genügt vielleicht ein einziges Wort, das uns gesagt wird, um unser ganzes Leben zu ändern. Haben wir aber nicht genug persönliche Kraft, dann mag es sein, daß uns die wunderbarste Weisheit offenbart wird, und diese Offenbarung würde nicht das geringste bewirken.«
Dann senkte er die
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