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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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erteilen, meine Hände anzusehen. Er hatte mich gewarnt, daß die erste Phase der Vorbereitung, die er als »Planen des Träumens« bezeichnete, ein tödliches Spiel darstelle, das der Geist des Betreffenden mit sich selbst spiele, und daß ein Teil meiner selbst alles tun werde, um die Erfüllung meiner Aufgabe zu verhindern. Dazu konnte nach den Worten von Don Juan gehören, daß ich in Hoffnungslosigkeit, Melancholie oder sogar eine selbstmörderische Depression verfiel. Aber so weit war es nicht gekommen. Meine Erlebnisse waren eher harmlos, sogar komisch; trotzdem war das Ergebnis ebenso frustrierend. Jedesmal, wenn ich im Traum im Begriff stand, meine Hände anzusehen, geschah etwas Außergewöhnliches; ich fing an zu fliegen, oder mein Traum schlug in einen Alptraum um, oder er verwandelte sich lediglich in eine sehr angenehme körperliche Erregung; in solchen Träumen ging, was die Lebhaftigkeit betrifft, alles weit über das »Normale« hinaus und war daher äußerst spannend. Angesichts der immer neuen Situationen vergaß ich stets die ursprüngliche Absicht, meine Hände zu beobachten. Einmal aber, ganz unerwartet, fand ich im Traum meine Hände. Ich träumte, ich ging durch eine unbekannte Straße in einer fremden Stadt, und plötzlich hob ich die Hände und hielt sie vors Gesicht. Es war, als habe irgend etwas in mir nachgegeben und mir erlaubt, meine Handrücken zu betrachten. Don Juan hatte mich angewiesen, ich solle, sobald der Anblick meiner Hände sich auflöste oder sich zu etwas anderem verwandelte, den Blick von den Händen fortnehmen und auf irgendeinen anderen Bestandteil der Umgebung meines Traums richten. In diesem einen Traum richtete ich den Blick auf ein Gebäude am Ende der Straße. Als das Bild des Gebäudes sich aufzulösen begann, konzentrierte ich meine Aufmerksamkeit auf die übrigen Dinge der Umgebung meines Traums. Das Ergebnis war ein unglaublich klares, zusammenhängendes Bild einer verlassenen Straße in einer unbekannten, fremden Stadt. Don Juan hieß mich fortfahren und von anderen Erlebnissen beim »Träumen« berichten. Wir sprachen noch lange. Als ich meinen Bericht beendet hatte, stand er auf und ging ins Gebüsch. Ich stand ebenfalls auf. Ich war nervös. Dieses Gefühl war ungerechtfertigt, denn es gab nichts, was zu Angst oder Besorgnis Anlaß gegeben hätte. Don Juan kehrte binnen kurzem zurück. Er bemerkte meine Erregung. »Beruhige dich«, sagte er und faßte mich sanft am Arm. Er hieß mich niedersitzen und legte mir mein Notizbuch in den Schoß. Er überredete mich zu schreiben. Er meinte, ich solle den Platz der Kraft nicht mit unnötigen Gefühlen wie Angst oder Zaudern aufstören. »Warum werde ich so nervös?« fragte ich. »Das ist ganz natürlich«, sagte er. »Irgend etwas in dir ist durch deine Aktivitäten beim Träumen bedroht. Solange du nicht an diese Aktivitäten dachtest, war alles in Ordnung. Aber jetzt, da du von deinem Tun gesprochen hast, fällst du fast in Ohnmacht.
    Jeder Krieger hat seine eigene Art zu träumen. Jede Art ist anders. Das einzige, was wir gemeinsam haben, ist die Tatsache, daß wir Tricks versuchen, um die Suche aufzugeben. Das Gegenmittel besteht darin, trotz aller Schranken und Enttäuschungen beharrlich weiterzumachen.«
    Dann fragte er mich, ob ich fähig sei, die Themen des »Träumens« auszuwählen. Ich meinte, ich hätte nicht die blasseste Ahnung, wie man das machte.
    »Die Erklärung der Zauberer, wie man ein Thema zum Träumen auswählt«, sagte er, »besagt, daß ein Krieger das Thema wählt, indem er absichtlich vor seinem inneren Auge ein Bild festhält, während er seinen inneren Dialog abstellt. Mit anderen Worten, wenn er einen Augenblick aufhören kann, mit sich selbst zu sprechen, und wenn er dann, sei es nur für einen Moment, das Bild oder die Vorstellung von dem, was er beim Träumen sehen will, festhalten kann, dann wird ihm der gewünschte Gegenstand erscheinen. Ich bin sicher, daß du dies getan hast, auch wenn es dir nicht bewußt geworden ist.« Es entstand eine lange Pause, und dann begann Don Juan in der Luft zu schnuppern. Es war. als reinigte er sich die Nase; drei oder vier Male atmete er gewaltig durch die Nasenlöcher aus. Seine Bauchmuskeln verkrampften sich, was er zu kontrollieren suchte, indem er mit kurzen, keuchenden Atemzügen Luft holte.
    »Wir wollen nicht mehr über das Träumen sprechen«, sagte er. »Du könntest davon besessen werden. Wenn einem etwas gelingen soll, dann muß der

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