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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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des Ganzen mir nur klar würde, wenn ich weitere Gelegenheiten fände, sie anzuwenden.
    »Als Faustregel für den Krieger gilt«, sagte er, »daß er seine Entscheidungen so sorgfältig treffen muß, daß nichts, was sich aus ihnen ergeben mag, ihn überraschen, und erst recht nicht seine Kraft erschöpfen kann.«
    Ein Krieger sein heißt, bescheiden und wachsam zu sein. Heute hättest du die Szene beobachten sollen, die sich vor deinen Augen abspielte, nicht aber darüber nachgrübeln, wie all dies möglich sei. Du hast deine Aufmerksamkeit auf das falsche Ziel gerichtet. Wollte ich nachsichtig mit dir sein, dann könnte ich leicht sagen, daß du, da dir dies zum erstenmal widerfuhr, nicht vorbereitet warst. Aber dies ist nicht zulässig, denn du warst als Krieger hergekommen, bereit zu sterben. Was dir heute widerfuhr, hätte dich daher nicht mit schlotternden Hosen antreffen dürfen.«
    Ich gab zu, daß ich die Neigung hätte, mich in Angst und Verwirrung gehenzulassen.
    »Es sollte als Faustregel für dich gelten, daß du. immer wenn du zu mir kommst, bereit sein solltest zu sterben«, sagte er. »Wenn du herkommst, bereit zu sterben, dann dürfte es keinerlei Fallstricke oder unwillkommene Überraschungen oder unnötige Taten geben. Alles sollte sich zwanglos zusammenfügen, weil du nichts erwartest.«
    »Das ist leicht gesagt, Don Juan. Aber ich bin der Empfänger. Ich bin es doch, der mit alldem leben muß.«
    »Nicht, daß du mit alldem leben müßtest. Du bist all dies. Nur. du erträgst es im Augenblick noch nicht. Deine Entscheidung, dich dieser bösen Welt der Zauberei anzuschließen, hätte alle mitgeschleppten Gefühle ausbrennen und dir den Mumm geben sollen, all dies als deine Welt zu beanspruchen.« Ich war verlegen und traurig. Don Juans Taten, ganz egal, wie gut ich darauf vorbereitet war, belasteten mich so sehr, daß mir jedesmal, wenn ich mit ihm in Kontakt kam, nichts anderes übrigblieb, als mich wie ein halbirrer Nörgler zu benehmen und zu fühlen. Eine Woge des Zorns stürmte auf mich ein, und ich weigerte mich, weiter mitzuschreiben. In diesem Augenblick war mir danach, meine Notizen zu zerreißen und alles auf den Müll zu schmeißen. Ich hätte es auch getan, wäre da nicht Don Juan gewesen, der mir lachend in den Arm fiel, um mich zurückzuhalten. Spöttisch meinte er, mein »Tonal« sei wieder im Begriff, mir einen schlechten Streich zu spielen. Er empfahl mir. zum Brunnen zu gehen und meinen Nacken und meine Ohren mit Wasser zu benetzen. Das Wasser beruhigte mich. Lange schwiegen wir. »Schreib, schreib!« drängte Don Juan mich in freundlichem Ton.
    »Man könnte sagen, dein Notizbuch ist der einzige Zauber, den du hast. Es zu zerreißen hieße nur, dich deinem Tod zu öffnen. Es wäre nur wieder eine von deinen Flausen, bestenfalls eine pompöse Laune, aber keine Änderung. Ein Krieger verläßt nie die Insel des Tonal. Er benutzt sie.« Mit einer raschen Handbewegung deutete er ringsumher und berührte dann mein Notizbuch.
    »Dies ist deine Welt. Du kannst nicht auf sie verzichten. Es ist sinnlos, sich über sich selbst zu ärgern und enttäuscht von sich zu sein. All dies beweist nur, daß das Tonal des Menschen in einem inneren Kampf steht. Ein Kampf im Tonal selbst ist eines der sinnlosesten Gefechte, die ich mir vorstellen kann. Das gefestigte Leben eines Kriegers ist dazu bestimmt, dieses Gefecht zu verändern. Von Anfang an habe ich dich gelehrt, überflüssige Kraftvergeudung zu verm eiden. Jetzt herrscht nicht mehr Krieg in deinem Innern, jedenfalls nicht mehr so, wie es war, denn die Lebensart des Kriegers ist Harmonie -erstens die Harmonie zwischen Handlungen und Entscheidungen, sodann die Harmonie zwischen Tonal und Nagual. Seit ich dich kenne, habe ich stets sowohl zu deinem Tonal wie zu deinem Nagual gesprochen. So muß die Unterweisung stattfinden. Am Anfang muß man zum Tonal sprechen. Aber das Tonal muß die Herrschaft abtreten. Man muß ihm jedoch Gelegenheit geben, dies mit Freuden zu tun. Dein Tonal zum Beispiel hat einige Kontrollen beinahe kampflos aufgegeben, weil ihm klar wurde, daß, wäre es so geblieben, wie es war, die Ganzheit deines Selbst jetzt tot wäre. Mit anderen Worten, das Tonal wird veranlaßt, unnötige Dinge wie Wichtigtuerei und Sichgehenlassen aufzugeben, die es nur zum Stumpfsinn verdammen. Die Schwierigkeit ist nur, daß das Tonal sich an diese Dinge klammert, während es doch froh sein sollte, diesen Quatsch loszuwerden. Die Aufgabe

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