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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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werden die Baumwipfel streifen«, »Die Eukalyptusbäume sind wie grüne Tupfen«, »Die Würmer sind Lichter«. Irgendwann setzte etwas in mir aus, vielleicht das Bewußtsein. daß auf mich eingeredet wurde. Ich spürte, daß Genaro noch immer bei mir war, aber was meine Wahrnehmung betraf, so konnte ich nur eine ungeheure Masse ganz erstaunlicher Lichter erkennen. Manchmal nahm ihr Funkeln ab, und manchmal wurden die Lichter intensiver. Ich erlebte auch eine Art Bewegung. Der Effekt war, als ob ich von einem Vakuum angesaugt würde, das mich nicht zur Ruhe kommen ließ. Immer wenn meine Bewegung nachzulassen schien und ich endlich meine Aufmerksamkeit auf die Lichter richten konnte, zog das Vakuum mich wieder fort. Irgendwann, mitten im Hin- und Hergezogensein, erlebte ich die äußerste Konfusion. Die Welt um mich her, wie immer sie beschaffen sein mochte, strebte mir entgegen und wich gleichzeitig von mir fort - daher der Vakuum-Effekt! Ich konnte zwei getrennte Welten sehen, eine, die sich von mir entfernte, und die andere, die sich mir näherte. Dies nahm ich nicht in der Weise wahr, wie man eigentlich meinen sollte, das heißt, ich gewahrte es nicht als etwas mir bisher Verborgenes. Vielmehr hatte ich zwei Wahrnehmungen, ohne daß ein logischer Schluß die Verbindung hergestellt hätte.
    Danach schwächten sich meine Wahrnehmungen ab. Entweder verloren sie an Präzision, oder es waren ihrer zu viele, und ich konnte sie nicht mehr auseinanderhalten. Der nächste Schub unterscheidbarer Wahrnehmungen war eine Reihe von Geräuschen, die am Ende eines langen schlauchartigen Gebildes entstanden. Der Schlauch war ich selbst, und die Geräusche machten Don Juan und Don Genaro, die wieder in meine beiden Ohren sprachen. Je länger sie sprachen, desto kürzer wurde der Schlauch, bis die Geräusche in einem erkennbaren Bereich lagen, das heißt, die Klänge von Don Juan und Don Genaros Worten erreichten meinen normalen Wahrnehm ungsb ereich. Zuerst waren die Geräusche als Lärm erfahrbar, dann als geschriene Wörter und schließlich als mir ins Ohr geflüsterte Wörter.
    Als nächstes nahm ich Dinge der vertrauten Umwelt wahr. Offensichtlich lag ich mit dem Gesicht nach unten am Boden. Ich konnte einzelne Erdklumpen, Steinchen, trockene Blätter unterscheiden. Und dann gewahrte ich das Feld mit den Eukalyptusbäumen.
    Don Juan und Don Genaro standen neben mir. Es war noch immer hell. Ich spürte, daß ich ins Wasser gehen mußte, um mich wieder zu stärken. Ich lief zum Bach, zog mich aus und blieb lange genug im Wasser, um das Gleichgewicht meiner Wahrnehmung wiederherzustellen.
    Sobald wir beim Haus anlangten, ging Don Genaro fort. Im Gehen klopfte er mir leicht auf die Schulter. Im Reflex sprang ich zur Seite. Ich erwartete, seine Berührung werde schmerzhaft sein; zu meiner Verwunderung war es nur ein freundliches Schulterklopfen.
    Don Juan und Don Genaro lachten wie zwei Kinder, denen ein Streich gelungen war.
    »Sei nicht so schreckhaft!« sagte Don Genaro. »Das Nagual hat es nicht immer auf dich abgesehen.« Er schmatzte mit den Lippen, als mißbilligte er meine übertriebene Reaktion, und breitete mit einer offenherzigen, kameradschaftlichen Geste die Arme aus. Ich umarmte ihn. Sehr freundlich und herzlich klopfte er mir den Rücken. »Du mußt nur in gewissen Augenblicken auf das Nagual achten«, sagte er. »Die übrige Zeit bist du wie alle anderen Menschen dieser Welt.« Er schaute Don Juan an und lächelte ihm zu. »Ist es nicht so, Juancho?« fragte er, wobei er das Wort Juancho betonte - einen witzigen Spitznamen für Juan. »So ist's Gerancho«, antwortete Don Juan, das Wort Gerancho erfindend.
    Die beiden brachen in schallendes Gelächter aus. »Ich muß dich warnen«, sagte Don Juan zu mir. »Du mußt dich in äußerster Wachsamkeit üben, um sicher zu sein, wann ein Mensch ein Nagual ist und wann er einfach nur ein Mensch ist. Du könntest sterben, wenn du in direkten physischen Kontakt mit dem Nagual kämest.
    Don Juan wandte sich zu Don Genaro um und fragte mit strahlendem Lächeln: »Ist's nicht so, Gerancho?«
    »Absolut, so ist es, Juancho«, erwiderte Genaro, und wieder lachten die beiden.
    Ihre kindliche Ausgelassenheit berührte mich stark. Die Ereignisse des Tages hatten mich erschöpft, und ich war sehr gefühlsselig. Eine Welle des Selbstmitleids überflutete mich. Mir kamen die Tränen, während ich mir dauernd wiederholte, daß das, was immer sie mit mir angestellt haben mochten, nicht

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