Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
erquickten, vernahmen sie eine Stimme, die ohne den begleitenden Ton eines Instrumentes süß und lieblich erklang, worüber sie sich nicht wenig verwunderten, denn sie hielten dies für keine Gegend, in der sich so gute Sänger aufhalten könnten; denn wenn auch oft erzählt wird, wie in Wäldern und auf Gefilden Schäfer mit lieblichen Stimmen wohnen, so ist dies mehr schöne Erfindung der Poeten als Wahrheit; da sie überdies noch bemerkten, daß die Verse, die sie singen hörten, kein Lied eines Bauern sein könne, sondern von einem feinen Mann herrühren müssen. Sie wurden hierin bestätigt, denn die Verse, die sie hörten, waren folgende:
Wer hat mir zerstört mein gutes Glücke?
Die Tücke.
Und was macht mich nun in Qual vergehen?
Verschmähen.
Welcher Lehrer, daß ich dulden lerne?
Die Ferne:
und also machen bess’re Sterne
mir niemals lichtern Himmel offen,
vereinigt töten mich das Hoffen,
Verschmähen, Tücke wie die Ferne.
Wer macht mir mein Leben schwarz und trübe?
Die Liebe.
Und wer scheucht die Freude weit zurücke?
Das Glücke.
Und wer weigert mir zu sein ein Retter?
Die Götter:
und also brechen tausend Wetter,
daß ich muß ein Verlorner sein,
nur zum Verderben auf mich ein,
das Glück, die Liebe wie die Götter.
Wie kann ich ein bess’res Glück erwerben?
Durch Sterben.
Und was macht, daß uns die Lieb’ erfreue?
Untreue.
Und für wen ist alles Leid verloren?
Dem Toren:
und also bin ich nur geboren,
in meinen Leiden zu verschmachten,
für Helfer sind ja nur zu achten
Untreue, Sterben, o des Toren!
Die Stunde, die Einsamkeit, die Stimme und die Geschicklichkeit dessen, der sang, erregte den beiden Zuhörern ebensoviel Vergnügen als Verwunderung, sie hielten sich ruhig, indem sie noch mehr zu hören erwarteten. Da sie aber sahen, daß alles schwieg, beschlossen sie aufzustehen und den Sänger zu suchen, dessen Stimme so lieblich erklang, und indem sie dies eben ins Werk setzen wollten, machte dieselbe Stimme, daß sie sich nicht rührten, denn ein neuer Ton traf ihr Ohr und folgendes Sonett wurde gesungen.
Sonett
Du heil’ge Freundschaft, von uns zu entweichen
Hat dich dein leichter Fluch emporgeschwungen,
Du bist zu sel’gen Geistern hingedrungen,
Zu den gebenedeiten Himmelsreichen.
Von dort reichst du uns oft als schönes Zeichen
Die Eintracht, dicht von Schleiern eingeschlungen,
Oft scheint uns dann ein edles Herz errungen
Das Laster weiß der Tugend wohl zu gleichen.
Vom Himmel steige, holde Freundschaft, nieder,
Der Trug hat sich dein schönstes Kleid ersonnen,
Er tötet schleichend jegliches Vertrauen.
Nimmst du ihm nicht die falsche Zierde wieder,
So wird die Welt den alten Krieg begonnen
Und Zwietracht wieder als Regenten schauen.
Den Gesang beschloß ein tiefer Seufzer, und die beiden blieben sehr still und aufmerksam, ob sie noch mehr hören würden; da sie aber sahen, daß sich die Musik in Jammer und klägliches Ächzen verkehrt hatte, beschlossen sie zu erfahren, wer der Traurige sei, dessen Stimme so schön, wie ein Seufzen rührend war; sie waren nicht weit gegangen, als sie, indem sie um einen Felsen bogen, einen Menschen von eben der Gestalt gewahr wurden, wie Sancho ihn beschrieben hatte, als er vom Cardenio erzählte. Als der Mensch sie erblickte, blieb er unverändert in seiner traurigen Stellung, den Kopf auf die Brust herabgesunken und wie in tiefen Gedanken verloren, ohne die Augen aufzuschlagen oder sie noch einmal anzusehen.
Der Pfarrer, der ein beredter Mann war und schon von seinem Unglück wußte, da er ihn an den Merkmalen erkannt hatte, ging auf ihn zu und bat und beschwor ihn in wenigen, aber vernünftigen Worten, dieses unglückselige Leben zu verlassen, damit er nicht darin umkäme, welches das allerhöchste Elend zu nennen sei. Cardenio war gerade bei vollem Verstande und ohne einen Anfall von Raserei, der ihn oft gänzlich von ihm selbst entfernte; da er also die beiden sah, anders gekleidet, als ihm sonst die Menschen dieser Wüsteneien aufstießen, verwunderte er sich nicht wenig, noch mehr, da er von seinen Leiden wie von einer Sache reden hörte, die man schon kannte; auf das aber, was ihm der Pfarrer gesagt hatte, antwortete er mit diesen Worten: »Ich sehe wohl, wer ihr auch sein mögt, meine Herren, daß der Himmel, der für die guten Menschen Sorge trägt und ihnen hilft, wie er es auch oft den bösen tut, mir gegen mein Verdienst in diese Einöden, vom Verkehr aller Menschen entfernt, Männer sendet, die mir mit Eindringlichkeit und Vernunft, ob
Weitere Kostenlose Bücher