Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Hauptspitzbube, den mein Herr und ich von der Kette losgemacht hatten.«
»Darin liegt nicht der Fehler«, versetzte Simson, »sondern darin, daß, eh noch der Esel wieder vorgekommen ist, der Autor erzählt, wie Sancho auf diesem nämlichen Grauen geritten habe.«
»Darauf«, sagte Sancho, »weiß ich nichts zu antworten, als daß sich der Historienschreiber geirrt hat oder es ein Druckfehler ist.«
»So wird es sein«, sagte Simson, »aber wie ist es mit den hundert Goldstücken gegangen? Sind sie vergangen?«
Sancho antwortete: »Ich habe sie für mich, meine Frau und meine Kinder verbraucht, und sie machen, daß meine Frau mein Herumziehen und Landstreichen mit Geduld angesehen hat, das ich im Dienste meines Herrn Don Quixote habe tun müssen; denn wenn ich nach so langer Zeit ohne klingende Münze und ohne Esel nach Hause gekommen wäre, so hätte gewiß mein Kopf dafür klingen müssen. Wenn Ihr nun noch mehr wissen wollt, so stehe ich hier, um dem Könige selbst in eigener Person Antwort zu geben, und es geht keinem in der Welt weiter was an, ob ich was gefunden oder nicht gefunden habe, ob ich es ausgegeben oder nicht ausgegeben habe; denn wenn mir die Schläge, die ich auf dieser Reise bekommen, mit Geld sollten bezahlt werden, wenn ich auch jeden Schlag nur zu vier Maravedi rechne, so müßte ich noch hundert Goldstücke bekommen, und es wäre doch noch nicht die Hälfte bezahlt. Jeder fahre nur mit der Hand in seinen eigenen Busen, und keiner nehme sich heraus, rechts links und links rechts zu nennen; denn jeder ist doch so, wie Gott ihn geschaffen hat, und oft noch viel schlimmer.«
»Ich will dafür sorgen«, sagte Carrasco, »den Autor der Historie zu erinnern, wenn sie neu aufgelegt wird, daß er nicht vergesse, was der wackere Sancho eben gesprochen hat; denn dadurch würde das Werk um vieles trefflicher werden, als es jetzt ist.«
»Gibt es in diesem Buche sonst noch etwas zu verbessern, Herr Bakkalaureus?« fragte Don Quixote.
»Hin und wieder«, antwortete jener, »aber nichts von der Bedeutung der angeführten Fehler.«
»Und vielleicht«, sagte Don Quixote, »verspricht der Autor einen zweiten Teil?«
»Allerdings«, antwortete Simson, »er sagt aber, daß er ihn noch nicht gefunden habe, auch nicht wisse, wo er stecke, und darum sind wir ungewiß, ob er herauskommen wird oder nicht? Teils deswegen, teils auch, weil viele sagen, daß die zweiten Teile niemals etwas taugen, andere auch meinen, es sei nun genug von Don Quixotes Händeln geschrieben, auch zweifelt man, ob ein zweiter Teil kommen werde, obgleich andere, die mehr jovialisch und saturninisch sind, sagen: ›Nur mehr Quixoterien her; Don Quixote handle und Sancho schwatze, es sei, was es sei, und wir wollen damit zufrieden sein.‹«
»Und womit hält es der Autor?«
»Damit«, antwortete Simson, »daß in demselben Augenblicke, in welchem er die Historie gefunden hat, die er mit großem Eifer sucht, er sie dem Drucke übergeben wird, mehr durch den Gewinn, den er daraus ziehen wird, als durch irgendeinen Ruhm bewogen.«
Worauf Sancho ausrief: »Der Verfasser geht also nach Geld und Gewinst? Dann wäre es ein Wunder, wenn es was Gutes würde; denn da wird es wohl nur heißen: Spute dich! spute dich! wie bei den Schneidern den heiligen Abend vor Ostern; was aber in solcher Eile gemacht wird, kann nie so vollkommen fertig gemacht werden, wie es sich gehört. Der Herr Maure oder was er sonst sein mag, sehe doch ja zu, was er tut; denn ich und mein Herr wollen ihm so viel Stoff zu Abenteuern und mancherlei Begebenheiten in die Hände arbeiten, daß er nicht nur den zweiten Teil, sondern wohl den hundertsten schreiben kann. Der gute Mann muß gewiß denken, daß wir auf dem Strohe hier eingeschlafen sind; aber nein, wir lassen uns schon die Eisen schärfen, und bald wird man sehen, wie wir den Tanz nicht verlernt haben. Wenigstens kann ich das wohl sagen, daß, wenn mein Herr meinem Rate folgte, wir schon wieder auf freiem Felde wären, um Ungebühr zu heben und Ungerades gerade zu machen, so wie es bei den braven irrenden Rittern Gebrauch und Sitte ist.«
Kaum hatte Sancho diese Worte zu Ende gesprochen, als sie das Wiehern des Rosinante vernahmen, welches Wiehern Don Quixote als eine glückliche Vorbedeutung annahm und sich entschloß, in drei oder vier Tagen einen neuen Zug zu unternehmen. Er teilte dem Bakkalaureus seinen Vorsatz mit und fragte ihn um Rat, nach welcher Gegend er seinen Zug richten solle, der antwortete ihm,
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